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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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winselnd trollte es sich.
    Ein Teufel wieselte von der Wand herab, ein Affe sprang hinterher.
    Sei gegrüßt, Kumpan! Wir haben schon sehr auf dich gewartet!, brüllte der Teufel.
    Der Affe quietschte wie von Sinnen. Peter knurrte sie an, die Teufelsfratze wich hinter eine Säule zurück, hielt sich dort lauernd im Halbdunkel. In der Kirche hing nicht der bekannte muffige Geruch in der Luft, das war ein anderer Duft, als wäre zwischen den steinernen Wänden, den mächtigen Säulen und den Glasfenstern das wirkliche Leben verfault, als wäre die Welt zugleich geboren worden und zugrunde gegangen. Im Überschwemmungsgebiet der Theiß hatte Peter einen ähnlichen Geruch wahrgenommen und an Wiener Kanälen, in der Nähe von Sümpfen am Balaton oder am Ufer der auseinanderreißenden Donau. Oder im Osten, in der Heimat der Wüstenblume, wo der Bodrog in die Theiß sprudelte.
    Dann, als ginge der Vorhang einer Bühne hoch, bot sich seinen Augen eine richtige Vorstellung. In den Bänken der Kirchesaßen eng gedrängt Hausierer mit Ledertaschen, Agenten, Polizeiinspektoren und Spitzel, ihre Mäntel waren aus Jahrhunderte lang wehenden Winden gewebt, manch einer von ihnen konnte mit den Händen und mit den Sohlen sehen, mit Wespen auf der Zunge singen, weise Narren und schlaue Halbidioten, Waldschrate, südungarische Hajduken und Schamanen, Trommelmenschen, Wunderrabbis und Zigeunerzauberer drängten sich in den Sitzreihen. Vor den Heiligenfiguren spuckten Feuerschlucker, Jahrmarktsgaukler und Hexen, sie psalmodierten und jaulten. Sie liefen herum, schwangen sich auf die Bänke, alle sangen, summten, röchelten, ein zotteliges Weib packte den Affen am Schwanz, er kreischte. Der Tumult steigerte sich, auch Peter wurde gestoßen und angetatscht. Eine Flut von Spukgestalten ergoss sich in das Kirchenschiff, sie strömten durch Riesentor und Singertor herein, andere zwängten sich durch das Bischofstor ins Freie, um Platz zu machen für die neu ankommenden Struwwelmenschen, blumenköpfigen Ungeheuer und Derwische, die von ihrem Leben, ihrem Reich oder vielleicht von Allah hier vergessen worden waren! Tulpenfische, Todesfische, Todesvögel flogen und pfiffen zwischen den Bögen umher. Juden im Kaftan und halbnackte Zigeuner fanden sich ein, transsilvanische Köhler, ruthenische Steinmetze, slowakische Windbeobachter!
    Peter riss den Mund auf, er wollte sprechen, gab jedoch gleich auf. Er hatte begriffen, dass jedes dieser Wesen mit Imres Vortrag befasst war, darüber redete, ihn erklärte, ihn ergänzte und zusammenstutzte. Und vielleicht war diese Vision ein handfestes Wunder und nicht eine verhängnisvolle Trübung seines Verstandes, das Resultat tobenden Wahnsinns, weil er auf einmal sah, dass auch die Heiligen der Kirche lebendig wurden!
    Maria und die Apostel, von denen Petrus genauso stattlich war wie er, Peter Schön, wenn nicht noch größer, und natürlich Stephan, Matthäus, Markus und die anderen Märtyrer, sie alle versammelten sich im Kirchenschiff. Und dann kamen sie wieeine Armee entschlossener Soldaten auf ihn zu, die Heiligen, die Kirchenväter und die Engel!
    Und nun schien der Wahnsinn zu erlahmen, vom Hochaltar her rückte eine streng blickende Schar von Heiligen und Bischöfen gegen das heidnische Volk vor und begann es zu vertreiben. Mit dem Besen, mit der Peitsche, mit bischöflichen Fäusten wurden sie zum Ausgang gejagt, dem gesegneten Licht entgegen. Hexen, Teufelsfratzen, Magier ergriffen die Flucht, manche sprangen zurück an ihren Platz und erstarrten wieder zu Stein. Rettung gab es nicht, keine einzige Kanaille blieb unentdeckt! Die Schar der Heiligen kam näher, und Peter konnte Maria sehen, die Wurzelmama etwas erklärte, ihr weißer Arm wies in die Richtung, wo eben noch der Hexensabbat zelebriert wurde.
    Peter wunderte sich, wie streng ihre Worte klangen.
    Euch haben wir noch nicht vertrieben, Wurzelmama, damit ihr euch anhört, was diese Taugenichtse einfach nicht begreifen wollen! Ich spreche von Imre Schöns Vortrag! Der überflüssige Sermon erinnert an einen orientalischen Flickenteppich! Im Reich, in den Salons deutscher Fürsten und in politischen Zirkeln, wo es um das Schicksal von Ländern, Provinzen und Ministerposten geht, haben wir den Vortrag als eine rein folkloristische Veranstaltung eingestuft! Von unüberschaubarer Phantasie erzeugte Satzgirlanden, die freilich eine These haben, das ist nicht zu bestreiten.
    Das bestreite auch ich nicht, Wurzelmamas Stimme klang verstimmt,

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