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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Schütz atmete schwach, man musste ihn zudecken, das Leben in ihn zurückhauchen. Klara streichelte ihm die Schläfe, die Reise nach Wien fiel ihr ein, das prachtvolle Hotel, wo der Doktor sich fast in Brand gesteckt hätte. Jetzt wollte er sterben, jetzt wollte er sie verlassen?! Im Grunde wussten sie nicht, was sie wollten, was sie hier zu suchen hatten! Schon wieder verließen sie sich auf die dubiosen Pläne von Herrn Schütz, der aufs neue ertrotzt hatte, dass die Dinge so geschahen, wie er es ausgeheckt hatte. Vielleicht arbeiteten auch der heulende Wind und das aufgewühlte Wasser für ihn, und die Elemente gehorchten seinem Willen! Der Wind tobte wie ein riesiger Raubvogel, an dessen Fittichen Glöckchen angebracht waren, er schrie und weinte über ihnen, und Klara dachte, dass sie gar nicht vom Wasser, sondern vom Strudel des Himmels eingesogen wurden. Haltlose Bretter und Gartentore jammerten, das Heulen eines erschreckten Hundes traf sie einmal von da, einmal von dort. Peter brach in betrunkenes Gelächter aus, na bitte, die Hunde kuschten ja doch nicht!
    Heult, meine Kleinen, heult nur!
    Wolken drängten sich vor den Mond, Sterne waren nicht zu sehen. Peter brüllte dermaßen, dass einige Burschen von den Booten herbeiliefen, sie wollten ihn zum Schweigen bringen, die Gemüter erhitzten sich. Peter schrie, wenn der Wind heulen dürfe, dann habe er als Mensch auch ein Recht dazu. Wenn der Wind tanze, dann tanze auch er. Im übrigen sollten sich die verehrten Herren Hurensöhne verpissen!
    Sie wollten mit Rudern über ihn herfallen, und wäre nicht Klara dazwischengetreten, hätten sie ihn vielleicht totgeschlagen. In ihrem weißen Kleid, mit dem auf die Schulter fallenden Haar wirkte sie so unwirklich, dass die Turner entgeistert zusahen, wie sie zu dem Tobenden trat, ihn beim Gesicht fasste und schnurrend besänftigte, sich die Hand abküssen ließ und dann,als käme von irgendwoher Musik, mit ihm zu tanzen begann. Das waren Verrückte! Die hatten sicher vor Angst den Verstand verloren! Imre bot den jungen Männern Palinka an, trinkt, Kinder, was schön war, bleibt auch weiterhin schön! In der Nähe hörten sie das Quietschen fliehender Wagen und Karren, die verzweifelten Menschen wichen von den Dämmen zurück. Etwa um zwei Uhr nachts verlosch die Gasbeleuchtung, die Laternen des Platzes flackerten ein wenig und gingen der Reihe nach aus. Wie eine Hinrichtung, flüsterte Klara. Der Himmel stürzte auf sie herab. Doch die Dunkelheit war nicht furchteinflößend. Sogleich wurden Fackeln entzündet, erst dadurch wurde das Dunkel erschreckend, das feige Licht machte es unheimlich, die Burschen bei den Booten schrien herum, sie hatten Angst, alle hatten Angst. Überall in der Stadt läuteten die Glocken Sturm. Es war also geschehen, es war geschehen! Die Welt begann zu brausen, doch erst noch leise und von Ferne. Auf der Budaer Straße liefen weitere Gruppen Richtung Hauptplatz, ein Mann trieb Ziegen an ihnen vorbei, die Tiere nahmen sich wie kleine, weiße Teufel aus. Einige Flüchtende kamen näher heran, schwankende Schattenwesen riefen, o weh, das Wasser verschlingt bereits die Obere Stadt! O weh, die Häuser zerknicken wie Papierschachteln!
    Nicht die Dunkelheit und der wimmernde Wind, und auch nicht die Kälte waren das Entsetzliche. Das Warten war schlimm gewesen, ihre Ohnmacht und ihr Ausgeliefertsein, dass sie keine Möglichkeit mehr hatten, das Geschehen zu beeinflussen, dass vielleicht ihr Schicksal besiegelt war, und jetzt, da es sich endlich ereignet hatte, atmeten sie auf. Sie mussten keine Angst mehr haben. Sie hörten die Flut näher kommen, es hätte auch das Grollen eines gewaltigen Ungeheuers sein können. Peter besänftigte sich mit einem Mal, sein düsterer Schatten schwankte vor dem Boot hin und her, Herr Schütz lallte, redete wirr, Klara beruhigte ihn mit Keksen. Dass Gilagóg vor Angst mit den Zähnen klapperte, war deutlich zu hören. Auf einmal brüllte Peter auf.
    Sakrament, Sakrament, ich stehe im Wasser!
    Die brodelnde Brühe überflutete den Marsplatz von der Budaer Landstraße her, innerhalb von Augenblicken hob sie die Boote an und riss sie mit sich. Klara holte tief Luft, sie tastete nach Imre. Die Strömung trieb sie vermutlich in Richtung Kalvarienbergstraße. Klara rief in die Dunkelheit hinein, dort sei ihr Haus, sie spüre es, ihr Haus sei ganz nah! Sie sahen nichts und hörten einander kaum. Aber niemals hätte man mit einem solchen wahnwitzigen Wüten rechnen können!

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