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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Schlaf so leicht, dass er einer Ratte, die über sein Gesicht huschte, in den Schwanz beißen konnte. Nachts hielt er in der linken Hand ein Messer und in der Rechten eine süße Mohrrübe, von der er häufig abbiss, denn er hasste bittere Träume. Vor einigen Jahren hatte eine anfangs ganz gewöhnliche Beratung des Stammes, deren Vorsitz trotz seines Alters der junge Gilagóg führte, mit einer Schlägerei geendet. Als der brennende Wagen gelöscht war, zogen Gilagógs Männer ihm genau acht Messer aus dem Leib. Die Besitzer von sieben Messern wurden am Abend gefunden, diese baten Gilagóg um Verzeihung, entweder mit Geld, Pferden oder unschuldigen, doch schon zur Liebe bereiten Mädchen. Wem das achte Messer gehörte, es war mit Silber eingelegt und hatte einen Muschelgriff, war nicht festzustellen. Man hatte es ihm auf die hinterlistigste Weise in die Achsel gestoßen,zudem entdeckte er es erst am nächsten Morgen beim Kratzen.
    Der Woiwode warf einen Blick auf Wurzelmamas Füße, der Köter kam wieder zum Vorschein und leckte das geronnene Blut an ihrem Knöchel.
    Ich frage dich doch nur nach Habred, begann Wurzelmama.
    Der Zigeuner zuckte mit den Achseln, immer noch gab er keine Antwort.
    Ich will ihn ja nur sehen, säuselte Wurzelmama, ich bin neugierig, weißt du, weil ich eine Frau bin, sie tätschelte ihm das Gesicht, worauf er sie zum Wagen führte. Sie wusste, dass sie nicht hinaufklettern durfte, er würde unter ihr zusammenbrechen, deshalb schlug sie nur die Plane zurück. Tief in dem venezianischen Bett lag ein alter Säugling. Es gibt Menschen, die ihre Jugend nicht im gewöhnlichen Rhythmus des Erdenlebens verlieren, Habred war ein solches Wesen, bei seiner Geburt mochte er hundert Jahre alt gewesen sein. Ein junges Mädchen saß neben ihm und spielte mit einem Blumenkranz.
    Somnakaj, meine Tochter, brummte Gilagóg, als ich sie zeugte, habe ich etwas in ihr versteckt. Mein Töchterchen hat ein Geheimnis! Aber nur jemand Bestimmter kann es lüften. Wenn es ein Unbefugter versucht, schneide ich ihm die Kehle durch.
    Du hast schon immer gerne gedroht, Gilagóg, schüttelte Wurzelmama den Kopf, sie wischte sich seinen Speichel vom Kinn und sah den Wahrhaftigen abermals prüfend an.
    Wann, hat es geheißen, wird er ordentlich sprechen?
    Vielleicht morgen, vielleicht in hundert Jahren, knurrte der Woiwode.
    Ach so, Wurzelmamas Blick wurde träumerisch, und bis dahin kann er nur um Geld bitten. Nur um Geld!
    Er war alt, er war ein Säugling, wenn auch ein seltsamer, doch sein Kommen war auf gar keinen Fall ohne Sinn. Man musste ihn ernähren und behüten wie ein Kind, doch eines Tages würde er zu erzählen beginnen, und dann würde er tausend Jahre alt sein, ewiges Leben besitzen und vom Nektar des Sinns des Lebens jedem ein wenig hinträufeln. Er gehörte zu ihnen, wie ihre Bedürftigkeit, ihre Heimatlosigkeit und ihre Zähigkeit. Doch einmal würde er zu sprechen beginnen und die Weltgeschichte der Zigeuner erzählen!
    Es begab sich, dass der Stamm – drei Wagen, etwa zwanzig Männer und ebenso viele Frauen, Kinder, Hunde, die dem Zug folgten, unter ihnen auch derjenige, der den Woiwoden Gilagóg getroffen hatte und ihm seither nicht von der Seite wich – nach einigem Verhandeln den Fluss überqueren durfte. Eine Fähre setzte sie über, sie sangen für den Schiffsbesitzer Berger, der für die Zigeunerkinder Fische mit der Hand fing, in der Flussmitte in schönem Bogen ins Wasser pinkelte und dann ein Kreuz schlug. Sie zogen geradewegs zur Besatzungsbehörde der Stadt, wo sie einem todmüden, seine Augen mit Kamillenumschlägen kühlenden Beamten unter Eid versprachen, nicht zu stehlen. Auch Geld gaben sie ihm. Der Beamte bekam einen großen Haufen Geld, die Zigeuner konnten gar nicht begreifen, woher der Woiwode Geld hatte. Ein Säckchen klingelnder, klimpernder Groschen! Doch wo es ein Säckchen gibt, findet sich auch ein zweites. Der Woiwode stieg in der Achtung der Zigeuner. Und sie gelobten dem Beamten brüllend, weinend und tanzend, dass sie ihr tägliches Brot mit Arbeit verdienen würden, und weil Gilagóg seine Handflächen herzeigte, deren Schwielen so aussahen, als ob sie tatsächlich vom Arbeiten stammten, stellte der Kommandant die Genehmigung aus und entließ sie in Begleitung einiger Soldaten. Sie zogen über den Platz, den man damals nicht mehr Freiheitsplatz nennen durfte, als wüssten sie, welchen Bereich dieser inselartigen, windigen Stadt sie in Besitz nehmen konnten. Die Frauen

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