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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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summten leise, der in der Mitte fahrende Wagen war von keiner Plane bedeckt, Heimlichtuerei war überflüssig, sie führten einen besiegelten Schutzbrief mit sich. Somnakaj spielte mit dem Blumenkranz, sie hatte ihn noch auf dem Schlachtfeld gepflückt, die Blumen waren wunderbarerweise frisch geblieben, sie konnten nicht vertrocknen. Das Mädchen riss eine blutige Blüte ab und beobachtete sinnend,wie ein unschuldiger Windstoß sie mitnahm und immer höher wirbelte, bis sie mit dem Blau des Himmels verschmolz. Somnakaj wollte lachen. Doch dann senkte sie nur den Kopf und weinte, wie jemand, dem zu viel Glück begegnet ist.
Das Land, auf dem sie leben werden
    Der Blick von Masa strich über die Erde, schließlich fand er, wonach er gesucht hatte. Ein flacher Kieselstein lag unter einem Grasbüschel. Masa verschränkte die Finger hinter dem Rücken, als wäre ein Strick um seine Handgelenke geschlungen. Er sank auf die Knie und nahm den Stein mit dem Mund, war gleich wieder auf den Beinen und lachte Gilagóg an, der auf einem Baumstamm sitzend zusah. Masa hielt den Kiesel zwischen den Zähnen und musterte das spärliche Laub der Baumkronen. Die Fläche, auf dem sie ihr Lager hatten aufschlagen dürfen, war wirklich nicht groß, doch nun gehörte dieses flache, nasse Stück Erde von der Größe eines Hofes ihnen. Sie hatten es bekommen, sie durften darauf leben und konnten mit einem behördlichen Dokument beweisen, dass die sich am Rand des Grundstücks windenden Robinien, das Gestrüpp, das aus dem Boden sickernde Wasser und die aus dem Schlamm hervorlugenden weißen Steine ihnen gehörten. Unter die Urkunde hatte man schwungvoll ein Datum gesetzt, fünfter August 1849, das konnte sogar Gilagóg entziffern. Die Zahlen kannte er einigermaßen, Buchstaben nicht. In der Umgebung erhoben sich ärmliche Kabachen aus der Erde, darüber hingen Rauchschwaden, der Wind schubste Müll vor sich her. Eine Ziege zerrte an ihrer Leine, ihr Weinen drang bis zu ihnen. Hier in der Nähe lebten sesshafte Zigeuner. Richtung Süden sah man größere, weiße Häuser, die von Hecken und Zäunen umgeben waren, dort wohnten bereits Ungarn.
    Gilagóg lag wach, doch war er bei der Betrachtung der Sterne und Wolken, die den Mond umspielten, nicht allein; als er mitden nächtlichen Geräuschen der Stadt Bekanntschaft schloss, saß Masa bei ihm und rauchte Pfeife. Er kauerte sich neben den Woiwoden, streichelte den Hund und ließ sich von ihm das Gesicht abschlecken. Im Morgengrauen, als sich hinter den Decken des Nebels die Häuser und Türme abzeichneten und bereits die Rufe, das Kakeln, Grunzen und langgezogene Muhen der Tiere zu hören waren, sah er sich nach einem Frühstück um. Es kam von allein.
    Ein Huhn scharrte am Fuß einer Robinie, sein Gefieder schillerte blutrot. Masa hatte den Stein im Mund, er schloss langsam die Lider, als würde er schlafen. Es war nur eine einzige Kopfbewegung, doch so schnell, dass man mit dem Auge nicht folgen konnte, ein dumpfer Laut, und der Kopf des Hühnchens fiel zur Seite, es tat ein paar bewusstlose Schritte und schlug hin. Masa besaß die beispiellose Fertigkeit, mit dem Mund werfen zu können. In Wahrheit konnte er nur damit werfen, denn seine Finger waren so geschickt wie diejenigen von irgendwem sonst. Sogleich ließen die Frauen das Feuer aufglühen, setzten Wasser für das Geflügel auf und scheuchten einige Kinder weg, die sollten Wiesel oder Igel fangen.
    Gilagóg hatte ihn deshalb an seiner Seite, weil Masa, der seinem Aussehen nach fünfzig, aber auch zwanzig hätte sein können, seine Worte auch dann hörte, wenn er sich hinter einem Hügel oder auf der anderen Seite eines Dorfes aufhielt. Noch am Ende der Welt hörte Masa, wenn Gilagóg ihn rief, und er verstand auch hingeworfene Wortfetzen. Der Woiwode war sich bewusst, dass diese Fähigkeit Masas auch ihm selbst einmal gefährlich werden konnte, doch er fürchtete ihn weniger als einen Flohbiss. Masa kannte die Geheimnisse des Woiwoden, sogar diejenigen Pläne und Gedanken, an denen er keines der anderen Stammesmitglieder teilhaben ließ.
    Einige Monate zuvor waren sie nicht weit von Belgrad im Überschwemmungsgebiet der Donau umhergestreunt, der Woiwode hatte Masa zum Fischfang geschickt, doch auch der funkelnde Sonnenaufgang gab ihn nicht zurück, Masa war verschwunden, als hätte ihn die Erde verschlungen, und Derartiges kam bei dem ruhigen Mann mit den öligen Bewegungen sonst nie vor. Die Leute des Stammes riefen nach ihm, schlugen

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