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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Denn dort, salzig und stechend, von dunklem Blau mit schwarzen Schlieren, einem Ölfilm gleich, verbarg sich der Geruch des Gesuchten. Giacomo nahm ihn auf wie einen Schatz.
    Der Lagotto hatte die Spur aufgenommen, und wenn er dies tat, hielt ihn nichts mehr auf. Alles Denken, Fühlen, Handeln drehte sich nur noch darum zu finden. Alles ordnete sich diesem Zweck unter. Es war sein Lebenssinn.
    »Bringt sie alle zum Po«, sagte Giacomo, nun mit erhitzterStimme, und zählte auf, welche Menschen er meinte. »Morgen Nacht. Keiner darf fehlen, sonst wird es nicht klappen. Schafft ihr das? Ihr müsst!«
    »Unmöglich«, sagte Tommaso, den Blick ängstlich, doch glücklich auf den Spürer gerichtet, Bestätigung erheischend, ob diese Antwort in seinem Sinne war.
    »So wird es geschehen«, befand der blinde Border Collie.
    »Und dann?«, fragte Niccolò.
    »Dann werde ich zu ihnen sprechen. Und der Mörder wird ins Schwitzen geraten.«

 
     
    Kapitel 11
     
     
    AM EISIGEN FLUSS
     
     
    S triezel erblickte als Erster der Gruppe verärgerter Dachshunde das Licht der Nacht. »Es schmerzt total in den Augen!« , rief er in den Schacht unter sich.
    »Weichei!«
    »Schwing endlich deinen dicken Hintern raus.«
    Der Dachshund sprang auf die Piazza am Ostufer des Po, welche direkt vor der majestätischen Kuppelkirche Chiesa della Gran Madre di Dio lag. Schnell versammelten sich die kleinen Kanalbewohner vor der breiten Treppe, die zwischen den Statuen, welche Religion und Glauben repräsentieren sollten, hinauf zum Portal der Säulenhalle führte. Die Dachshunde fühlten sich durch das mächtige runde Bauwerk gleich ein ganzes Stück größer. Die Piazza vor ihnen war in dieser bedeckten Nacht völlig leer. Sturm und Regen hatten sich zwar mittlerweile gelegt, doch Mond und Sterne waren nicht zu sehen, nur die Straßenlaternen tunkten alles in ein gelbes Licht, das wirkte, als dringe es aus einer Eiterbeule. Schräg unter den Dachshunden spielte sich auf dem Eis des Po Merkwürdiges ab. Lauter Hunde, nicht nur Straßenköter, sondern auch aufwendig frisierte mit glitzernden Halsbändern und stolzem Gang verließen die Stadt. Die meisten folgten dem Fluss gen Meer, wenige gingen entgegengesetzt Richtung Alpen. Ein unendlicher Strom von Vierbeinern. Immer wieder traten neue vom Ufer auf das Weiß, schlossen sich der Prozession an. Die Menschen Turinshatten das uralte Bündnis der Freundschaft gekündigt, jetzt wurden sie alleine gelassen.
    Den Dachshunden war das völlig egal. Was die Bewohner der Oberwelt taten, interessierte sie nicht. Sie wollten nur schnellstmöglich wieder ihre Ruhe haben.
    Der Kleine Stinker – welcher von vier Dachshunden auf einem Grillrost getragen wurde – hielt es für angemessen, eine Rede zu halten, die seine Anvertrauten aufmunterte. »Rüden und Hündinnen! Es ist eine schwere Zeit. Um nicht zu sagen: Es ist eine große Scheiße.«
    Sie bellten zustimmend. Die Dachshunde liebten es, wenn der Kleine Stinker Klartext redete.
    »Die Menschen haben uns aus der Kanalisation vertrieben. Unserem Heim, wo die Luft allzeit feucht und würzig ist und die fetten Ratten niemals ausgehen. Ich will zurück, ihr wollt zurück. Also gehen wir zurück! Vorher müssen die Menschen nur ihr dummes Tuch wiederbekommen.«
    » Verdammich, ja! Da hat er recht!«
    »Er ist ja nicht umsonst der Kleine Stinker.«
    »Genau!«
    »Das Tuch hat der Lagotto namens Giacomo« , sprach das Oberhaupt weiter. Ihm war der offene Himmel unheimlich, und er duckte sich instinktiv – konnte ihm ja jederzeit eine Wolke auf den Kopf fallen.
    »Den lynchen wir!«
    »Den suchen wir« , korrigierte der Kleine Stinker.
    »Genau! Suchen. Meinte ich ja.«
    »Striezel, du fragst die Falken. Versprich ihnen ein Rattennest als Belohnung. Sie haben den besten Ausblick.«
    »Schon erledigt« , sagte Striezel und reckte stolz die schmale Brust. Doch er bewegte sich keinen Zentimeter.
    »Und?« , fragte der Kleine Stinker.
    »Was und?«
    »Ab mit dir!«
    »Allein?«
    »Wie viele Dachshunde braucht man, um von Falken eine Auskunft zu erhalten?« , fragte der Kleine Stinker. Es war rhetorisch gemeint. Er hatte vergessen, dass die anderen Dachshunde Rhetorik für eine beißende Chemikalie hielten.
    »Drei!« , kam es deshalb nun aus dem Hintergrund. »Einen Striezel, um die Frage zu stellen – und zwei kluge Dachshunde, um sie ihm vorzusagen.«
    »Verdammich, ja!«
    Das Gejohle war laut, wurde jedoch immer wieder unterbrochen von panischen Blicken in die

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