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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Kleine Stinker wandte sich zu den Wölfen. » Wir führen euch nicht. Niemals.« Nach einer Pause setzte er hinzu: »Aber ihr dürft uns folgen.«
    »Verdammich, ja!«
    Es war selten, dass Wölfe einen Scherz machten. Doch es sollte nicht das einzig Ungewöhnliche bleiben.
     
    Normalerweise freuten sich nur wenige Lebewesen – egal, ob Vier- oder Zweibeiner – über ein nahendes Rudel Wölfe, das von einer Rotte Dachshunde begleitet wurde. Doch Giacomo hätte nicht glücklicher sein können. Seinem verworrenen Plan hatten noch zwei Strippenzieher gefehlt. Dank der Wölfe und Dachshunde hatte nun jedes lose Ende ein kräftiges Gebiss, das daran zerrte. Er selbst musste zur Signora, denn ohne sie würde alles fehlschlagen. Daisy nahm er mit, als er sich am Morgen auf den Weg machte. Giacomo wollte sie einfach nicht alleine auf dem Bahnhof lassen. Sie hatte nicht widersprochen, eigentlich sprach sie überhaupt nicht mehr. Wann immer möglich, lag ihr Blick auf Tommaso, der wie ein Schoßhündchen neben dem Spürer wachte. Ob sie auf den richtigen Moment wartete, die Bulldogge zu töten, oder nur nach etwas suchte, das die Grausamkeit Tommasos begreiflich gemacht hätte, Giacomo wusste es nicht.
    »Jetzt hast du wenigstens Klarheit«, sagte der alte Lagotto und sog den Duft der morgendlichen Espressi aus den unzähligen Cafés der Stadt ein. »Der Priester hat deine Treue überhaupt nicht verdient.«
    Daisy lief hinter ihm und sagte nichts.
    »Nun bist du frei, brauchst nicht mehr darüber nachzudenken. Nie mehr.« Eine schwache Lüge, das wusste Giacomo, aber Daisy war jung, vielleicht würde sie es nicht merken. Sie bedurfte einer Lüge. Und er würde ihr nicht diejenige über die unsterbliche Liebe ihres Herrchens erzählen.
    Obwohl sie die wahrscheinlich am liebsten gehört hätte.
    Es vergingen nur wenige Schritte der Stille. Dieses Schweigen ertrug Giacomo einfach nicht, dafür hörte er ihre Stimme zu gern, genoss ihre Nähe zu sehr. Was immer es brauchte, um sie wieder zum Sprechen zu bringen, sie würde es bekommen! Die zwei liefen gerade die Via Lagrange entlang, vorbei an den erwachenden Hotels, als Giacomo sich zurückfallen ließ, um neben Daisy herzugehen.
    »Vielleicht ...«
    »Nein! Er hat es so gemeint. Ganz genau so.«
    Daisy wandte den Kopf zur Seite, blickte zur Straße, über die gerade rumpelnd eine Kehrmaschine fuhr, das Morgenlicht scharf spiegelnd. Kein Hund konnte auswählen, wen das Schicksal ihm zur Seite stellte. Wer einen Sinn darin suchte, fand nur Leere.
    »Wie erträgst du es?«
    »Gar nicht! Hörst du? Es geht nicht. Lass uns rennen, bitte. Über stark befahrene Straßen, belebte Piazzas, über glattes Eis und harten Schnee.«
    Sie lief los, beinahe einen alten Mann umstoßend, der sich gerade noch mit knackenden Knien auf seinen Gehstock stützen konnte. Giacomo versuchte mitzuhalten.
    »Weißt du denn, wohin wir müssen?«
    »Besser als du!«, brüllte Daisy übermütig. »Du klappriger alter Trüffelsucher!«
    Hunde, das spürte Giacomo wieder einmal, waren zum Laufen geschaffen. Selten fühlte man sich so lebendig, wiewenn die Zunge schlackernd aus dem Maul hing und der Wind wie ein großer, kühler Kamm durchs Fell fuhr. Daisy schoss das Glück förmlich aus den Poren.
    Giacomo dagegen bekam kaum noch Luft.
    Eigentlich hätte es durch die ganze Rennerei in den letzten Tagen doch besser werden müssen, aber sein Körper schien stattdessen immer beleidigter zu werden, weil Giacomo die subtilen Zeichen wie Muskelkater, Herzrasen und akute Atemnot einfach ignorierte.
    »Ist es das?«, fragte Daisy und stoppte erst im letzten Moment, so spät, dass sie gegen den Reifen eines parkenden Lancia knallte. Doch selbst das schien sie zu genießen, kein Schmerzenslaut drang aus ihrer Kehle. Nach kurzem Ausschütteln stellte sie sich vor die Hintertür der Cioccolateria und kratzte daran. »Richtig, nicht?«
    Trotz des dunkel-buttrigen Schokoladenduftes, der warm aus den Poren des Hauses stieg, konnte Giacomo die Signora wahrnehmen, wie sie sich im Inneren der Mauern bewegte, mehr Tanz als Arbeit. Unter ihren Händen nahm die Skulptur einer hässlichen Frau auf einem Besen Gestalt an, während sie ein Lied sang. »La Befana vien di notte / con le scarpe tutte rotte / il cappello alla romana / viva viva la Befana«.
    Daisy bellte und Giacomo stimmte ein. Nach kurzer Zeit öffnete die Signora – immer noch singend – die Tür.
    »Giacomo, Schätzchen! Ich dachte mir schon, dass du es bist. Und

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