Blut & Barolo
du hast jemanden mitgebracht. Eine Hündin, wenn mich mein Gefühl nicht täuscht. Und das tut es ganz sicher nicht. Kommt rein, aber seid leise. Fabressa hat heute vorne Dienst, und sie mag Hunde überhaupt nicht. Was soll man dazu sagen?«
Die Signora ließ die beiden hinein und stellte schnell Untertassen mit frischem Wasser für sie auf den Boden. »Leider habe ich heute gar keine Zeit für euch. EineSpezialanfertigung! Ganz dringend. Die alte Befana soll besonders groß und hässlich werden. Aber ich freue mich sehr über eure Gesellschaft.«
Die Signora begann einen Korb aus Schokolade zu formen, in den sie dann kleine Geschenke legte. Alles begleitet von Gesang. Vielleicht ließ das die Kakaomasse besser schmelzen?
»Wie soll ich ihr eine Botschaft mitteilen, wenn sie arbeitet?«, fragte Giacomo. »Es geht doch nur im Traum bei Menschen, oder? Ich hab das allerdings noch nie gemacht.«
»Du hast mir nicht gesagt, dass sie ...«, Daisy stockte. »Das kann doch gar nicht sein!«
»Doch, mit allen Hunden. Habe ich auch noch nie erlebt. Doch die Signora ist eben anders. Aber jetzt müssen wir ganz schnell einen Weg finden. Wie schade, dass Menschen beim Arbeiten nicht träumen.«
»Das hängt doch nur von dir ab«, sagte Daisy, ohne ihren Blick von der Signora zu lösen. Jede ihrer Bewegungen verfolgte sie, jeden Ton saugte sie gierig auf. »Wenn ein Mensch gähnt, dann auch die anderen. Und wenn ein Hund gähnt?«
»Dann auch sein Mensch. Worauf willst du hinaus?«
»Wir legen uns jetzt schlafen! Du dich auf die Marmorplatte und ich mich auf das Fenstersims. Dann sieht sie immer einen von uns schlummern. Das hält sie nicht lange durch. Achte darauf, dass sie deine geschlossenen Augen sieht.«
»Das funktioniert doch nie.«
»Wie sieht denn dein Plan aus?«
Nun, er hatte keinen. Verdammt! »Na ja, also, den erzähl ich dir gleich. Ich bin jetzt gerade zu müde. Die Nacht war lang, weißt du. Deshalb mach ich jetzt erst mal ein kleines Nickerchen. Das hat aber überhaupt nichts mit deiner blöden Idee zu tun!«
»Natürlich nicht, du weiser Hund.«
»Genau!« Er schloss die Augen. Die Schwärze erstreckte sich sofort in seiner Welt. Dann zwickte es. Wie vom Stich einer Biene, oder besser: einer Gruppe von Bienen, die seinen Po für ein Blütenmeer hielten.
»Au«, sagte Giacomo.
»Scht«, antwortete Daisy. »Wachst du endlich auf! Sie schläft, jetzt ist die Gelegenheit.«
Tatsächlich. Da lag die Signora, die Wange auf der kühlen Marmorplatte, ihren Schokoladenspachtel noch in der Hand und das köstliche Braun ausgehärtet neben sich. Und ihre Lippen vibrierten wie ein Blatt im Wind. Sie schnarchte ein wenig.
Giacomo wurde gleich wieder müde.
»Los, du musst zu ihr, dein Kopf an ihren!«
Nein, dachte Giacomo. Das würde nicht passen. Andere Hunde mochten mit ihrem Kopf denken, er hatte schon lange entschieden, dass sein Bauch diese Aufgabe viel besser erledigte. Deshalb ging er vorsichtig zur Signora und lehnte seinen Bauch an ihren Haarschopf. Daisys Blicke signalisierten Verwunderung.
»Was jetzt?«, fragte der alte Trüffelhund.
»Geh in ihre Träume. Ganz vorsichtig, als würdest du eine Trüffel ausbuddeln. Träume sind sehr verletzlich.«
Niccolò hatte Giacomo einmal von dem schwierigen Übergang zu Isabellas Träumen erzählt, zu denen der Signora war er so fließend wie eine gute Ganache. Der Lagotto fand sich weit weg von Turin auf dem Gipfel eines Berges wieder, unter sich zu allen Seiten Meer, die weißen Wellenkuppen wie Rüschen darauf. Das Zwitschern von riesigen Vögeln, die in dem Massiv brüteten, erfüllte die salzige Luft. Die Signora selbst saß auf einem kleinen Felsvorsprung und hielt einen bunten Sonnenschirm.
»Wie kommst du hierher?«, fragte sie.
»Weiß ich auch nicht.«
»Dann ist ja gut. Wie schön der Mars heute ist. Siehst du, wie er dort in seinem Bett aus Sternen liegt?«
Genau das tat der Mars nun – obwohl er gerade noch nicht da gewesen war. »Und wie das Meer glüht«, fuhr die Signora fort. Und das tat es jetzt auch. »Hörst du die Wale singen?« Der alte Trüffelhund vernahm die tiefen, langgezogenen Laute. Es war unglaublich beruhigend, doch darüber vergaß er nicht seinen Plan.
»Sie müssen uns helfen, Signora. Heute Nacht, da brauchen wir Sie an der Ponte Umberto I. Wenn es dunkel wird, müssen Sie dort die richtigen Fragen stellen. Der Dieb des Sindone steht dann auf dem Eis. Werden Sie das tun?«
»Sie kommen näher.«
»Wer?«
»Die
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