Blut der Sternengötter
noch mehr Eingeborene sehen, was nicht für ihre Augen bestimmt ist, und gewisse Dinge hören, die sie nicht hören sollten. Schicke eine Botschaft, daß wir mit dem Flugboot kommen …«
Lord Rud schob streitsüchtig das Kinn vor. »Du bist sehr großzügig mit deinen Befehlen in der Burg eines anderen Mannes, Dillan. Angenommen, ich wünsche U-Sippar in diesem Augenblick nicht zu verlassen. Wie du selbst gesagt hast, wird die Szene draußen auf dem Feld zweifellos Treibstoff für Rebellion liefern. Und mein Platz ist hier, um solche Feuer auszustampfen, bevor sie sich ausbreiten können.«
»Durchaus verständlich. Also bleibe und trete deine Feuer aus, obgleich man meinen sollte, daß es nicht nötig wäre, hättest du U-Sippar fest in der Hand.« Lord Dillan lächelte boshaft. »Ich werde den Gefangenen eben allein zum Verhör bringen …«
Es war deutlich, daß dies auch nicht im Sinne von Lord Rud war.
»Er ist mein Gefangener, von meinen Männern gefaßt.«
»Gewiß. Aber du hast seine Wichtigkeit nicht erkannt, bevor man sie dir nicht einhämmerte. Und dein Widerstreben, ihn dem Rat zu überlassen, deutet darauf hin, daß du vielleicht einen verborgenen Grund hast, ihn so rasch tot sehen zu wollen.« Lord Dillan betrachtete Kincar nochmals eingehend. »Was ist das für ein großes Geheimnis, Bursche, um dessentwillen du für immer zum Schweigen gebracht werden mußt? Ich frage mich …« Er zog Kincar unter einen hellen Lichtstrahl.
»Das Große Gebot, Rud«, sagte er dann leise und sehr sanft. »Ich frage mich, wie oft und von wem unter uns es gebrochen wurde. Das Große Gebot … Für gewöhnlich werden die Folgen einer solchen Übertretung rasch entdeckt – aber dann und wann ist es vielleicht nicht möglich. Wer bist du, Bursche?«
»Kincar von Styr …«
»Kincar von Styr«, wiederholte der andere. »Nun, das kann alles und gar nichts bedeuten. Was ist Styr, und wo liegt es? Sollte dein Name nicht vielmehr Kincar s’Rud sein?«
Er hatte die Wahrheit erraten, aber auf eine falsche Weise. Vielleicht überzeugte eine Spur von Überraschung in Kincars Blick den Lord, daß er auf der richtigen Fährte war, denn er lachte leise. »Noch etwas, das der Rat untersuchen sollte …«
Lord Ruds Gesicht war vor Wut verzerrt. »Das sollst du mir büßen, Dillan, obgleich wir Brüder sind! Er ist nicht von mir gezeugt, und du kannst mir keinen Gesetzesbruch anhängen! Ich habe Feinde genug, vielleicht unter meiner engsten Sippe …« Er blickte seinen Bruder grimmig an, »… die mich gern mit einer solchen Geschichte in Schwierigkeiten bringen würden! Sieh dich vor, Dillan, an dem Tag, in der Stunde, wenn du eine solche Beschuldigung vor dem Rat aussprichst!«
»Wie dem auch sei, wir müssen von ihm erfahren, was er weiß. Und je eher, desto besser. Es ist zu deinem eigenen Vorteil, Rud, daß er vor uns allen die volle Wahrheit erzählt. Wenn er nicht die Frucht einer Gesetzesübertretung ist, dann wollen wir es rasch klären.«
Als ob er seinen Bruder von einer gefährlichen Sache ablenken wollte, fragte Lord Rud: »Warum hat Sood eigentlich so gelitten? Wir wollen uns einmal dieses Ding näher ansehen, das er trägt …«
Er griff nach dem Tei. Kincar wich zurück. Aber bevor die Finger den Stein umschließen konnten, schlug Lord Dillan Ruds Hand weg.
»Wenn dir deine Haut lieb ist, dann laß das Ding in Ruhe!« warnte er.
»Glaubst du, daß ich mich daran genauso verbrenne wie Sood? Aber wieso – ich bin doch kein unwissender Eingeborener …«
»Soods Zeichen verschlimmerte sein Schicksal«, erklärte Lord Dillan fast geistesabwesend. »Aber wir haben keine Ahnung, wie die Macht dieser Dinger sich gegen unsere fremden Körper auswirkt. Und bevor wir nicht mehr wissen, ist es weiser, sich da nicht einzumischen. Ich habe erst einmal zuvor eines gesehen, und das nur einen Augenblick lang vor seiner Zerstörung durch den Zauberdoktor, der es getragen hatte. Wir hatten seinen Schrein in der Nacht gestürmt und ihn überrascht. Jetzt haben wir reichlich Zeit, uns mit diesem hier – und seinem Träger – zu befassen, sobald wir ihn bei den Türmen haben. Und wir sollten sofort dorthin aufbrechen.«
Sie redeten, dachte Kincar bitter, als besäße er keine eigene Identität und wäre nichts als ein Besitzstück von ihnen. Die einzige Konzession der Lords an die Tatsache, daß er ein Wesen aus Fleisch und Blut war, bestand darin, einen Mantel über seinen halbnackten Körper zu werfen, nachdem er an
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