Blut der Wölfin
reagierte instinktiv mit einem Schlag von unten. Ihr Arm flog hoch und fiel dann schlaff herunter, aber sie holte mit dem anderen aus. Als ich zurückwich, schien der schlaffe Arm abwärts zu gleiten … er rutschte aus dem Ärmel heraus.
Hatte ich ihr den Arm heruntergeschlagen? Mit einem einzigen Schlag? Wie zum Teufel sollte ich sie dann überwältigen? Wenn ich sie zu Boden warf, würde ich sie in zwei Stücke reißen …
»Rose!«, brüllte ich.
Sie hielt nicht inne; sie stapfte vorwärts, auf mich zu, die Klauen des brauchbaren Arms schlugen in die Luft. Aber ihr Blick hatte meinen gefunden, und ich wusste, dass sie noch hören und Worte zur Kenntnis nehmen konnte.
Ich ließ sie bis auf einen halben Meter herankommen und wich dann aus, schoss zur anderen Seite des Raums hinüber, und sie jaulte auf vor Wut.
»Ich halte das die ganze Nacht durch, Rose«, rief ich ihr zu. »Du kriegst mich nicht, und du weißt es.«
Sie fauchte und stürzte sich auf mich. Ich tat einen Schritt zur Seite und lief an ihr vorbei. Ohne zu rennen. An der gegenüberliegenden Wand setzte ich mich auf die Kante eines alten Büroschreibtischs, als wollte ich es mir dort gemütlich machen.
»Ich kann dir geben, was du haben willst, Rose«, sagte ich.
Ihr lippenloser Mund öffnete sich. Die Worte klangen verzerrt, aber noch verständlich. »Gut. Dann komm her.«
»Du hast den Humor immer noch nicht verloren? Gut, er wird das Letzte sein, was dir bleibt.«
Sie stürzte vor. Ich hob den Fuß, erwischte sie in der Magengrube und stieß sie zu Boden, so hart ich es wagte. Sie blieb keine Sekunde lang liegen, versuchte augenblicklich, sich auf dem noch intakten Bein aufzurichten. Bei der ruckartigen Bewegung glitt der abgetrennte Arm auf den Fußboden. Sie heulte auf vor Rage und Frustration.
»Das wollte ich nicht«, sagte ich. »Wenn du noch so klar im Kopf bist, wie ich glaube, dass du es bist, dann weißt du auch, dass das ein Versehen war. Ich habe kein Interesse daran, dir das Leben noch schwerer zu machen. Ich will nichts weiter als Matthew Hull.«
Ihre Augen rollten nach oben und trafen meine, und ich wusste, dass sie den Namen erkannt hatte. Hätte ich noch einen Schimmer des Zweifels empfunden, dass er ihr Meister war, er wäre jetzt verflogen. Sie starrte zu mir hoch, ohne zu zwinkern. Sie konnte nicht zwinkern. Sie hatte keine Lider mehr. Ich zwang mich, den Blick abzuwenden, als mein Magen zu rebellieren begann.
»Was hat er dir versprochen für den Fall, dass du mich erwischst?«, fragte ich.
»Dass es aufhören wird«, murmelte sie.
»Und du in Frieden sterben kannst?«
Sie erstarrte. »Nein. Nein – kann nicht sterben. Ich komme in die Hölle.« Sie schauderte. »Das ist besser. Schließt das Tor. Danach … es wird aufhören.«
»Die Verwesung, meinst du.«
»Es wird heilen.«
»Heilen? Hat er dir das erzählt? Vielleicht, aber hat er auch vor, dir all die Teile zurückzugeben, die du verloren hast? Den Fuß? Lippen? Arm? Nase? Lider? Was du wirklich willst, ist Frieden, nicht wahr? Zu sterben und an einen friedlicheren Ort zu gehen, wo du wieder heil sein wirst? Ich könnte dir das geben.«
Sie machte ein abgerissenes Geräusch, das ich nach ein paar Sekunden als Gelächter erkannte.
»Du glaubst mir nicht? Ich habe jemanden hier, der dir helfen kann. Die Frau, die dich gerufen hat. Sie kann dafür sorgen, dass du übertreten kannst.«
»Und geradewegs zur Hölle«, fauchte sie. »Nach allem, was ich getan habe, wo soll ich sonst hin?«
Da hatte sie vielleicht nicht ganz unrecht. Aber ich erinnerte mich an all das, was Jaime mir über Geister erzählt hatte.
»Ich wäre mir da nicht so sicher«, sagte ich. »Ich kann dir nicht sagen, was auf der anderen Seite ist. Das kann niemand. Aber es gibt mehr Sühne als Rache dort. Ich würde sagen, du hast Aussicht auf deinen Frieden im Jenseits. Vor allem, wenn du dieses Leben damit beendest, dass du etwas Gutes tust.«
»Sie hat recht«, sagte eine Stimme hinter mir. »Ich weiß auch nicht, was da drüben ist, aber ich kenne eine Menge Geister, die erwartet haben, sich an einem sehr viel übleren Ort wiederzufinden als dem, an den sie gekommen sind.«
Jaime tat ein paar Schritte vorwärts. Ihr Blick fiel auf Rose, und wenn sie Ekel oder Entsetzen empfand, dann ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Ich sah nicht einmal Mitleid. Sie ging einfach weiter, bis sie neben mir stand.
»Führ uns zu Hull, und den Rest machen wir«, sagte ich. »Und dann
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