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Blut der Wölfin

Blut der Wölfin

Titel: Blut der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Gebäude hinein – wo sie sich möglicherweise ausgeruht hatte – und danach wieder aus dem Gewerbegebiet hinaus in eine belebtere Straße. Die Gegend war immer noch von Gewerbebauten und Lagerhäusern geprägt, aber viele davon waren zu Lofts und Nachtklubs umgebaut worden. Die Fährte führte die Straße entlang, an den Schlangen vor den Klubs vorbei.
    »Hier ist sie über die Straße gegangen«, sagte ich.
    Wir waren erst ein paar Schritte weit gekommen, als ich den Verwesungsgeruch auffing, stärker und frischer jetzt.
    »Ich riech’s auch«, sagte Clay. »Sie ist in der Nähe.«
    Ich war erst halb über die Straße, als der Wind mir einen neuen Schwall des Geruchs zutrug. Ich sah auf und entdeckte eine kleine, gedrungene Gestalt unter einer trüben Straßenlaterne. Sie trug eine Art Umhang mit Kapuze, hohe Absätze und einen kurzen Rock und drehte uns den Rücken zu.
    Ein Auto hupte. Clay packte mich am Ellbogen und zerrte mich über die Straße hinweg in einen Durchgang. Ich spähte hinaus und zog mich dann rasch wieder zurück.
    »Wie machen wir es also?«, flüsterte ich.
    »So gnädig wie möglich«, sagte Jeremy.
    »Keine Fragen also?«
    »Brauchen wir nicht«, sagte Clay.
    Jeremy zögerte, und ich wusste, er überlegte sich, dass es nett wäre, sie vorher zu befragen. Persönliche Neugier natürlich, aber man konnte sie als Bildungshunger tarnen, als Wunsch, zum Wissen der paranormalen Welt über Portale beizutragen.
    Einen Moment später schüttelte er den Kopf. »Schnell und gnädig, das ist am besten. Clay? Geh raus und sag ihr, sie soll mit dir in den Durchgang kommen.«
    Clay sah Jeremy an, als habe der ihn soeben aufgefordert, auf einem öffentlichen Platz eine Rumba zu tanzen.
    Ich verschluckte ein Auflachen. »Geh einfach zu ihr hin und zeig auf den Durchgang. Sag … ich weiß nicht … irgendwas wie ›fünfzig Dollar‹.« Ich sah Jeremy an. »Klingt das glaubwürdig? Fünfzig?«
    Seine Augenbrauen schossen nach oben. »Warum fragst du
mich
das?«
    »Ich habe nicht … ich meine einfach, ganz allgemein …« Ich warf die Hände in die Luft. »Woher soll denn ich wissen, was eine Nutte kostet?«
    »Mehr als raten kann ich da schließlich auch nicht.«
    Ich seufzte. »In Ordnung, fünfzig Dollar klingt gut. Es ist ja nicht so, als ob
sie
wissen könnte, was der gängige Tarif ist. Sag das und nick zu dem Durchgang hin. Sie wird schon mitkommen.«
    Clay stierte uns weiterhin in wortlosem Entsetzen an.
    »Herrgott noch mal, du bist bereit, ihr den Hals zu brechen, aber du kannst sie nicht …«
    »Ich mach’s«, sagte Jeremy; dann warf er einen Blick in meine Richtung. »Nicht, dass ich mehr Erfahrung als Clay darin hätte, Prostituierte anzusprechen.«
    »Ich wäre auch nicht im Traum auf den Gedanken gekommen.«
    Ein vielsagender Blick, dann ging er los.
     
    Ich bin sicher, »fünfzig Dollar« und ein Nicken zu dem Durchgang hin hätte gereicht, aber Jeremy unterhielt sich erst ein, zwei Minuten lang mit ihr, bevor er sie in den Durchgang hineinführte.
    Als sie sah, wie wir das andere Ende versperrten, blieb sie stehen. Jeremy tat hinter ihr zwei schnelle Schritte – er hatte vor, ihr den Hals zu brechen, bevor sie wissen konnte, was geschah. Aber wir hatten sie zu früh merken lassen, dass etwas nicht stimmte, und sie rannte los – direkt auf mich zu. Ich täuschte nach links und hob die Faust, bereit zuzuschlagen … und sah sie mit aufgerissenen Augen zurückweichen. Ein einziger Blick auf ihr Gesicht, und mir war klar, dass sie bei mir hatte Schutz suchen wollen. Ich rief mir ins Gedächtnis, dass es das Beste für sie wäre, sie umzubringen – es würde sie in ein besseres Jenseits schicken. Aber ich konnte es nicht tun.
    Ich sah zu Jeremy und Clay hinüber, aber sie waren beide ratlos. So viel zum Thema schnell und gnädig.
    Als niemand sich rührte, senkte sie den Kopf und begann zu schluchzen. Was ich zunächst für einen Umhang gehalten hatte, war ein Umschlagtuch, das sie sich über den Kopf gezogen hatte, um in seinem Schatten verborgen zu bleiben. Wahrscheinlich war dies die einzige Art, wie sie in Toronto ihrem Gewerbe nachgehen konnte. Nach dem kurzen Blick, den ich auf ihr Gesicht hatte werfen können, hätte sie sechzig sein können – und das nach einem harten und alkoholreichen Leben.
    »Wer bist du?«, fragte ich.
    Clay warf mir einen wütenden Blick zu. Ich erwiderte ihn. Solange wir hier standen und versuchten, uns einen Plan B einfallen zu lassen, konnte

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