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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Entscheidung ja schon gefällt, während meine Mama schwanger mit mir war: Die da wird alles verlieren. Bei einigen muss das eben sein, warum also nicht sie? Sicher verstehen Sie, wovon ich rede. Im Leichenschauhaus sehen Sie es ja häufig genug.«
    »Ich bin keine Fatalistin«, erwidere ich.
    »Schön für Sie, dass Sie noch an die Hoffnung glauben«, höhnt sie.
    »Das tue ich.« Aber dir glaube ich kein Wort , denke ich.
    Ich hole den schmucklosen weißen Umschlag aus der Gesäßtasche und schiebe ihn über den Tisch. Sie greift mit zierlichen Händen danach, deren weiße Haut so durchscheinend ist, dass hellblaue Adern durchschimmern. Ihre unlackierten Nägel sind rosig und kurz geschnitten. Als sie den Kopf senkt, um das Foto zu betrachten, erkenne ich, dass in ihrer blond gefärbten Kurzhaarfrisur flaumige graue Ansätze nachgewachsen sind.
    »Das hier wurde vermutlich in Florida aufgenommen«, stellt sie fest, als spräche sie von mehr als von einem Foto. »Das, was ich da im Hintergrund durch den Wasserstrahl des Gartenschlauchs sehe, könnte ein Gardenienbusch sein. Nein, Moment mal. Warten Sie, verdammt.« Sie mustert das Foto. »Auf dem da ist er älter. Es ist vor kürzerer Zeit entstanden. Und die kleinen weißen Blüten sind die eines Spierstrauchs. Hier gibt es Spiersträucher in rauen Mengen. Man kann keinen Häuserblock weit gehen, ohne einen Spierstrauch zu sehen. Also tippe ich auf Savannah. Es war nicht in Florida, sondern hier in Savannah. Wissen Sie zufällig, wer es gemacht hat?«, fügt sie mit angespannter Stimme hinzu.
    »Ich weiß nicht, von wem es gemacht wurde und wo«, entgegne ich.
    »Nun, ich will aber wissen, wer es gemacht hat.« Ihr Blick verändert sich. »Falls es in Savannah oder in der näheren Umgebung aufgenommen worden ist, zeigen Sie es mir vielleicht aus genau diesem Grund. Um mir weh zu tun.«
    »Ich habe wirklich keine Ahnung. Und ich will Ihnen auch nicht weh tun«, antworte ich. »Ich habe eine Kopie davon anfertigen lassen und dachte, Sie würden sich darüber freuen.«
    »Vielleicht war Jack mit seinem Auto hier ganz in der Nähe, ohne dass ich es geahnt habe.« Vor Schmerz und Wut wird ihr Tonfall schneidend. »Als ich ihn kennenlernte, habe ich ihm von Savannah vorgeschwärmt. Es ließe sich wunderbar hier leben. Ich habe ihm geraten, zur Navy zu gehen. Dann würde er vielleicht ganz in der Nähe auf dem neuen U-Boot-Stützpunkt stationiert werden, der damals gerade in Kings Bay gebaut wurde. Sie wissen ja, dass Jack im Grunde seines Herzens ein Unruhegeist war, jemand, der die Welt umsegeln und exotische Länder hätte bereisen sollen. Oder als Pilot ein neuer Lindbergh werden. Er hatte zur Navy gehen oder auf Schiffen und Flugzeugen die Welt umrunden sollen anstatt in toten Menschen herumzuwühlen. Ich frage mich, wer ihn da wohl beeinflusst hat.«
    Sie blickt mich finster an.
    »Mich interessiert, wer zum Teufel dieses Foto gemacht hat und warum ich nicht wusste, dass er hier war, falls das stimmt«, fährt sie in eiskaltem Ton fort. »Was haben Sie sich dabei gedacht, mich mit diesem Foto zu überrumpeln und mich in dem Glauben zu wiegen, dass er hier war, ohne mich zu besuchen? Nun, ich kann es mir vorstellen.«
    Ich frage mich, wo Dawn Kincaid vor fünf Jahren zu dem Zeitpunkt war, als dieses Foto wahrscheinlich entstanden ist. Wie oft war sie in Savannah, um Kathleen zu sehen? War Jack vielleicht hier, um sich mit Dawn zu treffen, hatte aber keine Lust auf eine Begegnung mit ihrer Mutter? Da ich nun Kathleen, der Frau, von der ich so viel gehört habe, die ich aber nicht persönlich kannte, leibhaftig gegenübersitze, habe ich ernsthafte Zweifel daran, dass Jack vor fünf oder sogar vor zehn Jahren mit seinem Mustang hierhergefahren ist, um sie zu besuchen. Es ist fast unvorstellbar, dass er Kathleen Lawler all die Zeit weiter geliebt oder sich auch nur mit ihr abgegeben hat. Sie ist gnadenlos, kennt keine Reue und hat nicht die Spur von Mitgefühl für andere. Außerdem haben jahrzehntelanger Drogenmissbrauch, selbstzerstörerische Lebensgewohnheiten und die Haft ihren Tribut gefordert. Sie ist schon lange nicht mehr charmant und schön gewesen, Dinge, die für meinen eitlen Stellvertreter eine große Rolle gespielt haben.
    »Ich weiß nicht, wo das Foto gemacht wurde, und auch sonst nichts über die Hintergründe«, wiederhole ich. »Es hing in seinem Büro, und ich dachte, Sie hätten vielleicht gern einen Abzug. Diesen hier können Sie behalten. Ich war

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