Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
Sie gekommen sind und dass wir miteinander reden konnten. Dass Ihr Anwalt und die anderen Anwälte diese Tür für uns geöffnet haben. Und ich weiß die Fotos und alles, was Sie mir sonst noch netterweise gegeben haben, zu schätzen«, fügt sie hinzu. Es klingt merkwürdig. So als meine sie nicht das, was sie sagt, sondern etwas, das ich nicht verstehe. Sie wartet darauf, dass Officer Macon wieder verschwindet.
Dann greift sie in den Kragen ihrer weißen Uniformbluse, holt etwas aus ihrem BH und schiebt hastig ein fest zusammengefaltetes Stück Papier über den Tisch.
6
Wasser tropft aus den Eichen und Palmen am Rand des Parkplatzes. Der Geruch des Regens und der süße Duft blühender Büsche, deren Blütenblätter wie buntes Konfetti den Boden bedecken, steigen mir in die Nase. Die Luft ist drückend schwül, und immer wieder schaut eine stechende Sonne zwischen den sich im Westen zusammenballenden Wolken hervor. Ich setze mich in den Transporter, immer noch verwundert, dass niemand mich aufgehalten hat.
Auf dem Weg weg von Haus Bravo über einen noch vom Gewitter nassen Gehweg ließ sich Officer Macon nicht anmerken, dass etwas im Argen liegen könnte. An der Kontrollschleuse, wo ich meine Hand unter eine ultraviolette Lichtquelle halten musste, sodass das aufgestempelte Wort Schnee auf meiner Haut sichtbar wurde, fiel kaum ein Wort. Officer Macon bedankte sich für meinen Besuch, als sei dieser eine Ehre für das Georgia Prison for Women. Als ich meinte, Kathleen Lawler fürchte um ihre Sicherheit, lächelte er und erwiderte, die Insassinnen erfänden gern »Märchen«. Die Verlegung in Einzelhaft diene ja gerade ihrem Schutz. Ich verabschiedete mich und ging.
Daraus schließe ich, dass meine ursprüngliche Vermutung richtig ist. Ich spüre den zusammengefalteten Zettel in meiner Hosentasche wie einen glühenden Stein. Ich bin überzeugt, dass Kathleen mir sicher nichts zugesteckt hätte, wenn sie mit Entdeckung hätte rechnen müssen. Allmählich habe ich das Gefühl, dass sie Teil eines unvorstellbar ausgeklügelten Komplotts ist. Obwohl ich noch nicht ganz sicher bin, ob sie mich gerade reingelegt hat, habe ich den Verdacht, dass es so sein könnte.
Während ich den Motor anlasse, hole ich Kathleens Zettel heraus und lasse dabei den Blick über den Parkplatz schweifen, um sicherzugehen, dass niemand in der Nähe ist und mich beobachtet. Ich sehe die schmalen, mit Maschendraht gesicherten Fenster der Unterkünfte mit den blauen Metalldächern und das mit Säulen versehene Verwaltungsgebäude aus Backstein, aus dem ich gerade gekommen bin. Dampf steigt aus dem feuchten Asphalt auf. Die schwere, warme Luft weht zum offenen Autofenster herein. In einer Ecke des vollbesetzten Parkplatzes bemerke ich einen schwarzen Mercedes Kombi, der mich an einen Leichenwagen erinnert. Darin sitzt bei abgeschaltetem Motor eine Frau und telefoniert. Es ist zu heiß und zu schwül, um in einem Auto zu sitzen, in dem die Klimaanlage nicht läuft. Allerdings hat sie die Fenster einen Spaltbreit geöffnet. Obwohl die Frau nicht auf mich zu achten scheint, fühle ich mich unwohl und beklommen und glaube inzwischen, dass ich Grund dazu habe.
Seit Benton mich heute am frühen Morgen am Logan Airport abgesetzt hat, habe ich den Eindruck, dass man mich überwacht und mir Steine in den Weg legt, auch wenn ich keine greifbaren Beweise vorlegen könnte. Jedoch hat sich dieser Eindruck wegen verschiedener merkwürdiger Faktoren verfestigt. Dieser grässliche, schmutzige und stinkende Transporter zum Beispiel, den ich nie bestellt habe. Das Handschuhfach ist mit Servietten der Fastfood-Kette Bojangle’s und Broschüren von Bootsvermietungen vollgestopft. Obwohl ich mehrmals versucht habe, Bryce anzurufen, um mich zu beschweren und ihm auf der Mailbox hinterlassen habe, ich könne nicht glauben, dass eine Luxus-Autovermietung mit Chauffeurdienst eine solche Schrottlaube zu ihrer Flotte zählt, hat er sich nicht bei mir gemeldet. Seit Tagen habe ich nichts mehr von ihm gehört, so als ginge mein Verwaltungschef mir aus dem Weg. Dann die eigenartigen Informationen, die man mir gegeben hat. Und jetzt das hier.
Ich streiche ein weißes Stück Papier glatt, das zu einer Raute von der Größe einer Halstablette zusammengefaltet gewesen ist. Darauf hat jemand mit blauem Kugelschreiber eine Telefonnummer geschrieben, die mir irgendwie bekannt vorkommt, bis mich die Erkenntnis trifft wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Öffentliches Telefon
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