Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
Messer in den Körper des Opfers – oder wie bei dem Mord an dem Jungen in Salem mit Stahlnägeln in den Schädel – einzudringen, erregt und stimuliert den Täter.
»Wir halten die Redaktionssitzungen in der Bibliothek ab, um eingereichte Artikel zu sichten und mit dem Layout-Team die Gestaltung zu besprechen.« Kathleen redet noch immer über ihre Zeitschrift. »Erst treffe ich die endgültige Entscheidung, was veröffentlicht wird, anschließend gibt Direktorin Grimm ihre Genehmigung, und dann kommt noch ein Foto jeder Frau, deren Text ausgewählt wurde, auf die entsprechende Seite. Das kann natürlich zu Eifersüchteleien, manchmal gar zu Feindseligkeiten führen.«
»Und was passiert jetzt mit der Zeitschrift?«, erkundige ich mich, wobei ich mich frage, ob Lola Daggette möglicherweise Dawn Kincaid kennt und weiß, dass Kathleen ihre Mutter ist.
»Natürlich lassen sie mich nicht mehr mitmachen«, antwortet Kathleen verärgert. »Das erledigt inzwischen offenbar jemand anderer. Wie ich schon sagte, habe ich in der Bibliothek gearbeitet, doch das darf ich auch nicht mehr. Damit habe ich Geld verdient, um im Gefängnisladen einzukaufen. Vierundzwanzig Dollar im Monat. Ein paar Süßigkeiten hier und da, Papier, Briefmarken. Außerdem war es kein großer Zeitaufwand. Wie soll ich nun an Geld kommen, wenn meine Ersparnisse aufgebraucht sind? Wer hilft mir? Wie soll ich eine dämliche Flasche Shampoo kaufen, um mir die Haare zu waschen?«
Ich antworte nicht. Von mir bekommt sie keinen Cent.
»In Haus Bravo gelten für alle dieselben Regeln, ganz gleich, ob man zum eigenen Schutz hier oder eine Serienkillerin ist. Wahrscheinlich ist das der Preis der Sicherheit«, spricht sie weiter, und ihr harter Gesichtsausdruck erschreckt mich. Es ist, als wolle sich etwas Hässliches aus ihr hervorarbeiten. »Nur dass ich nicht in Sicherheit bin. Ich sitze hier mit einem verdammten Damoklesschwert über dem Kopf.«
»Was für ein Damoklesschwert?«, hake ich nach.
»Keine Ahnung, warum die mir das antun. Sie sollen mich zurückverlegen.«
»Was ist das für ein Damoklesschwert?«, wiederhole ich.
»Hinter all dem steckt nur Lola«, erwidert sie, und der Kreis hat sich geschlossen.
Jaime Berger war hier in der Anstalt, um mit Lola Daggette zu sprechen, die eine Verbindung zu Kathleen Lawler hat. Diese wiederum kennt mich. Ich verrate ihr nicht, dass ich weiß, wer Lola Daggette ist, da ich immer noch die Möglichkeit in Erwägung ziehe, dass sie etwas mit Dawn zu tun haben könnte.
»Sie wollte, dass ich verlegt werde, damit ich in ihrer Nähe bin«, fährt Kathleen zornig fort. »Der Todestrakt ist hier kein separates Gebäude. Lola ist momentan die Einzige, die dort einsitzt. Die Letzte war Barrie Lou Rivers, die in Atlanta Thunfischsandwiches mit Arsen vergiftet und damit viele Leute umgebracht hat.«
Der Feinkostteufel. Ich bin vertraut mit dem Fall, lasse mir jedoch nichts anmerken.
»Ihre Stammkunden haben täglich bei ihr ein Thunfischsandwich Spezial gekauft, und sie hat lächelnd mit angesehen, wie sie kränker und kränker wurden«, spricht Kathleen weiter. »Kurz bevor man ihr die Todesspritze setzen wollte, ist sie in ihrer Zelle an einem Thunfischsandwich erstickt. So was nenne ich Ironie des Schicksals.«
»Ist der Todestrakt oben?«
»Es ist nur eine Hochsicherheitszelle wie alle anderen auch und unterscheidet sich nicht von der, in der ich jetzt sitze.« Kathleen wird lauter und steigert sich immer mehr hinein. »Lola ist oben, und ich bin hier unten, eine Etage tiefer. Sie ruft mir zwar nichts zu und schickt mir auch keine Kassiber, aber es spricht sich herum, was sie sagt.«
»Und was sagt sie?«
»Sie droht mir. Das weiß ich.«
Ich erspare mir den Hinweis auf den Umstand, dass Lola Daggette ebenso dreiundzwanzig Stunden am Tag eingesperrt ist wie Kathleen, sodass die beiden sich unmöglich persönlich begegnen können. Wie ich es sehe, hat Lola keine Gelegenheit, jemandem Schaden zuzufügen.
»Sie wusste genau, dass ich in dasselbe verdammte Gebäude verlegt werde wie sie, wenn sie die anderen gegen mich aufhetzt und das Gerücht verbreitet, dass ich in Gefahr bin. Und genau das hat sie getan«, fügt sie mit schneidender Stimme hinzu. »Lola will mich in ihrer Nähe haben«, ergänzt sie. Ich hingegen glaube nicht, dass Kathleen ihren Aufenthalt in Haus Bravo Lola zu verdanken hat.
Das war Tara Grimms Werk.
»Hatten Sie früher ähnliche Schwierigkeiten mit Ihren Mitgefangenen? «,
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