Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
und ihr Gewicht, die ich in jener Nacht in meiner dunklen, eiskalten Garage von der Rückbank des SUV genommen und mir über die Schultern gelegt habe.
»Offenbar hat meine Entscheidung, Kathleen in Haus Bravo zu verlegen, Sie ins Grübeln gebracht, was Sie wohl hier in Savannah erwartet«, stellt Tara fest. »Vermutlich möchten Sie sich nach dem, was Sie durchgemacht haben, keiner gefährlichen Situation aussetzen.«
Ich habe den Schneesturm aus leuchtend weißen Flecken, so winzig wie Pollen, auf der MRI-Aufnahme des ersten Opfers vor Augen, das Dawn Kincaid mit einem Injektionsmesser erstochen hat. Grellweiße Partikel, die sich um eine knopflochförmige Einstichstelle ballten und wie nach einer Explosion tief in den Organen und dem Brustgewebe gestreut haben. Als wäre eine Bombe im Körperinneren hochgegangen. Wenn ihr Angriff auf mich mit derselben Waffe Erfolg gehabt hätte, wäre ich tot gewesen, bevor ich den Boden berührte.
»Obwohl ich nicht ganz verstehe, warum Sie in Ihrem eigenen Haus eine Schutzweste tragen«, bohrt die Direktorin weiter.
Ich erkläre ihr nicht, dass medizinische Forschung zu meiner Tätigkeit für das Verteidigungsministerium gehört und dass General Briggs sich für meine Meinung zu der neuesten, eigens für Soldatinnen entworfenen Schutzweste interessiert hat. Inzwischen weiß ich aus Erfahrung, dass diese Weste eine Stahlklinge abhalten kann. Glück, einfach nur Glück. Ich erinnere mich, wie ich über mein eigenes Spiegelbild erschrak, als alles vorbei war. Mein rot verschmiertes Gesicht. Mein rot verschmiertes Haar. Kurz rieche ich Metall und höre das Zischen des roten Sprühnebels, als er sich, warm und feucht, in meiner dunklen, kalten Garage über mich ergoss.
»Wenn es stimmt, was in den Nachrichten kam, war der Hund bei Ihnen in der Garage, als es passierte. Wie geht es ihm?«, höre ich die Direktorin sagen, während ich meine Hände betrachte. Meine sauberen Hände mit den praktischen, unlackierten, kurzen Nägeln. Ich hole tief Luft und konzentriere mich auf die Gerüche im Raum. Kein metallischer Blutgeruch. Nur ein Hauch von Tara Grimms Parfüm. Estée Lauder. Youth- Dew.
»Sock schlägt sich wacker.« Wieder sehe ich sie an und frage mich, ob mir wohl etwas entgangen ist. Wie sind wir auf das Thema gekommen, dass ich einen Windhund gerettet habe? »Also haben Sie ihn noch?« Sie mustert mich.
»Ja.«
»Das freut mich. Er ist ein sehr lieber Hund. Aber das sind sie alle. Einfach reizende Tiere. Ich weiß noch, dass Kathleen ihn nicht an jeden X-Beliebigen abgeben wollte. Sie hofft, dass sie ihn nach Haftende zurückbekommt.«
»Und wann wird sie entlassen?«, erkundige ich mich.
»Dawn hat Sock aufgenommen, weil Kathleen ihn sonst niemandem anvertrauen wollte«, fährt Tara fort. »Sie ist sehr tierlieb, das muss ich ihr lassen. Ich weiß, dass all das Hinweise auf eine Verbindung zwischen Kathleen und Dawn sind, die Sie stutzig machen sollten, auch wenn Kathleen das abstreiten wird. Seit ich diese Strafanstalt leite, war Dawn ziemlich häufig hier zu Besuch. Sie hat ihre Mutter drei- bis viermal pro Jahr gesehen und Geld auf ihr Einkaufskonto eingezahlt. Natürlich ist damit jetzt Schluss, obwohl es die beiden nicht daran hindert, weiter Kontakt zu halten. Es gibt schließlich Briefwechsel zwischen Häftlingen. Aber das wissen Sie ja wahrscheinlich.«
»Nein, das war mir nicht bekannt.«
»Seit Dawn in Schwierigkeiten steckt, leugnet Kathleen standhaft jeden Kontakt. Sie möchte nicht mit Dawn in Verbindung gebracht werden, insbesondere nicht, weil sie hofft, dass jemand in der Lage wäre, ihr zu helfen. Sie zum Beispiel. Oder ein berühmter Anwalt. Kathleen wird immer das sagen, was das Gegenüber ihrer Ansicht nach hören will. Und sie spekuliert darauf, nach Haftende den Hund wiederzubekommen.«
»Was meinen Sie mit ›nach Haftende‹?«, frage ich.
»Ihnen ist doch bekannt, dass sich heutzutage jeder auf einen Justizirrtum beruft«, erwidert sie.
»Mir war gar nicht klar, dass Kathleen Lawler darauf hinauswill.«
»Aber sie wird Sock nicht zurückbekommen, falls er kein Methusalem unter den Hunden wird«, entgegnet Tara Grimm, als wolle sie persönlich dafür sorgen. »Ich bin froh, dass Sie ihn behalten wollen. Es wäre schrecklich, wenn eines der geretteten Tiere, die wir hier ausbilden, wieder in die falschen Hände geriete.«
»Ich versichere Ihnen, dass Sock ein gutes Zuhause gefunden hat.« Noch nie hatte ich ein so anhängliches
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