Blut für Blut: Thriller (German Edition)
knapp zehn Monate her, dass sie bei der Ermittlung in einem Mordfall in Ringkøbing auf einem Gerüst überfallen worden war. Sie war bei dem Sturz mit einer Gehirnerschütterung, einer gebrochenen Nase, ein paar angeknacksten Rippen und einer ausgerenkten Schulter davongekommen, doch sie hatte noch regelmäßig Schmerzen in Schulter und Rippen, weshalb sie hin und wieder Jørgen aufsuchte, der sich besonders auf Schulter-und Brustmuskulaturprobleme verstand.
»Entspann dich, während ich dich massiere, Rebekka. Du bist immer so angespannt«, sagte er, und sie lachte laut.
»Da hast du recht. Ich glaube nur, dass ich leider so geboren bin.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass du versuchen sollst, mehr zu entspannen. Ich dachte, du hättest durch deinen Jobwechsel etwas mehr Ruhe. Als du bei der mobilen Spezialeinheit warst, warst du ununterbrochen unterwegs.«
»Wie der Name schon sagt.« Rebekka lächelte gequält zu Jørgen hoch, der ihre schmerzenden Muskeln durchknetete. Vor fünf Monaten hatte sie ihren Job als Ermittlerin bei der mobilen Spezialeinheit gekündigt, um Teil des Ermittlerteams der Mordkommission Kopenhagen zu werden, ein Jobwechsel, der sie mit der Zeit immer mehr freute.
»Es ist schön, nicht mehr die ganze Zeit unterwegs zu sein, aber zu tun ist genauso viel. Und da ich noch immer neu bin, gibt es auch noch immer Kollegen, die ich noch kennenlernen, und diverse Arbeitsgänge, in die ich mich noch einarbeiten muss. Es ist trotz allem einige Jahre her, dass ich zuletzt hier gearbeitet habe«, fügte sie hinzu und dachte an ihre Praktikumszeit in der Mordkommission, wo sie ernsthaft Geschmack daran gefunden hatte, sich mit Mordfällen zu beschäftigen.
»Hast du wenigstens etwas mehr Zeit für die Liebe? Dein Jobwechsel hat doch wohl auch etwas mit diesem Michael zu tun?«
»Ja, jetzt können wir uns etwas häufiger sehen, und apropos Michael, er kommt heute Nachmittag und bleibt das Wochenende über.«
Rebekka hatte Michael bei ihrem Aufenthalt in Ringkøbing kennengelernt. Michael war dort Kommissar bei der Polizei. Er und Rebekka hatten sich vom ersten Moment an gut verstanden und bei dem komplizierten Mordfall eng zusammengearbeitet. Es waren ein paar einschneidende Wochen für sie gewesen. Sie war in der westjütischen Stadt geboren und aufgewachsen, doch obwohl ihre Eltern in der Stadt wohnten, war sie sechzehn Jahre nicht mehr dort gewesen. Die Konfrontation mit der Vergangenheit samt der hektischen Ermittlung hatten an ihr gezehrt, und Michael hatte sich als große Stütze erwiesen. Sie hatten sich ineinander verliebt und waren eine Fernbeziehung eingegangen. Michael lebte in Ringkøbing, wo er auch Teilzeitvater für seine siebenjährige Tochter Amalie war, und Rebekka in Kopenhagen, wo sie den größten Teil ihrer Zeit im Polizeipräsidium verbrachte.
Rebekka zögerte kurz und fügte hinzu: »Eigentlich bin ich vor allem von der mobilen Spezialeinheit weggegangen, weil ich dort meine Fähigkeiten nicht richtig einsetzen konnte. Ich wollte schließlich mit Mordfällen arbeiten, doch seit der Polizeireform beschäftigt sich die Spezialeinheit hauptsächlich mit Bandenkriminalität und Menschenhandel, und das bedeutet, dass es immer seltener einen Mordfall aufzuklären gibt. Leider. Aber ich bin froh über meinen Entschluss, ich glaube, dass er für mich richtig war.«
»Habt ihr viel zu tun im Moment?«
Rebekka lachte leise. Als Ermittler hatte man immer viel zu tun.
»Ja, das haben wir. Ich arbeite, wie gesagt, an dieser Vergewaltigungssache in der Toldbodgade vom Samstag.«
»Ach ja, davon habe ich in der Zeitung gelesen. Die Frau wurde in einem Hinterhof niedergeschlagen und vergewaltigt. Das ist schon unheimlich …«
Sie wurden von Rebekkas Handy unterbrochen, das drüben in ihrer hellgrauen Lederjacke brummte, und der Physiotherapeut fischte es aus der Jackentasche und gab es ihr mit einem leichten Kopfschütteln.
»Entschuldigung.« Sie nahm es mit einem dankbaren Lächeln entgegen. »Rebekka.«
Es war der Chef der Mordkommission, Henrik Brodersen. »Rebekka, wir haben bei dem Wallgraben auf dem Kastell nahe dem Bahnhof Østerport eine Leiche gefunden. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um Mord. Wir haben es mit einer Frau mittleren Alters zu tun, und wie es aussieht, sind Gesicht und Kopf brutal misshandelt worden. Die Situation ist leicht chaotisch, weil einer der Gärtner oder Dienstleistungsangestellten des Kastells, wie sie jetzt heißen, mit seinem Rasenmäher
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