Blut für Blut: Thriller (German Edition)
über die Leiche gefahren ist. Wir sind gerade dabei, uns einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Wir wissen jedoch mit Sicherheit, dass das Überfahren nicht die Todesursache ist. Das Opfer war nach Einschätzung des Arztes bereits seit mindestens fünf Stunden tot. Rebekka, du bist nicht länger für die Vergewaltigungssache in der Toldbodgade zuständig. Komm sofort her – Reza ist auch bereits unterwegs.«
»Ich komme«, sagte Rebekka und nahm die letzten praktischen Informationen entgegen, bevor sie auflegte. Sie spürte ein erwartungsvolles Kribbeln im Bauch, das sich jedes Mal einstellte, wenn sie in einem Mordfall ermitteln sollte. Das Adrenalin pumpte durch den Körper, die Sinne wurden schärfer, und die Umgebung nahm deutlichere Konturen an. Eifrig sprang sie von der Liege und zog sich an, als ihr einfiel, dass Michael in wenigen Stunden zu ihrem geplanten romantischen Wochenende eintreffen würde. Sie würde es vermutlich nicht schaffen, zu Hause zu sein, wenn er am Nachmittag auftauchte. Sie rieb sich die Stirn und sah Jørgens aufmerksamen Blick auf sich ruhen.
»Probleme?«
Rebekka schüttelte langsam den Kopf.
»Keine Probleme – nur Herausforderungen, könnte man sagen. Das ist wieder einmal typisch, Michael und ich haben uns drei Wochen nicht gesehen, und als wir uns das letzte Mal gesehen haben, war seine Tochter, Amalie, bei uns. Sie ist ein süßes Mädchen, aber es ist trotzdem nicht das Gleiche, wie wenn wir alleine sind. Jetzt ist er endlich auf dem Weg hierher, und ich habe einen Mord.«
»Was ist passiert?«
»Man hat beim Kastell eine Frau gefunden. Tot. Nun gut, es kann sein, dass das gar nichts für uns ist. Es kann sich schließlich auch um einen Unfall handeln«, sagte sie und winkte Jørgen zu.
»Ich rufe an und mache einen neuen Termin.«
»Du kommst, wenn du kommst«, antwortete der Physiotherapeut und warf die Handtücher mit einer routinierten Bewegung in den Wäschekorb.
____
»Es sieht ganz so aus, als ob die Tote Kissi Schack ist, du weißt schon – diese Sozialarbeiterin aus den Medien.« Kommissar Reza Aghajan kam Rebekka atemlos entgegen, als sie zehn Minuten später am Haupteingang des Kastells eintraf. Die Luft war feucht und schwarz vor Insekten, und Rezas kurze dunkle Haare, auf die er gewöhnlich viel Zeit verwandte, damit sie auf die richtige Weise vom Kopf abstanden, lagen flach an und glänzten vor Schweiß. Das ganze Gebiet war mit dem typischen Plastikband der Polizei abgesperrt, und davor parkten eine größere Anzahl von Polizeiwagen, ein Rettungswagen und der dunkelblaue VW-Transporter der Kriminaltechniker.
»Kissi Schack?«, wiederholte Rebekka und runzelte die Stirn. Der Name kam ihr irgendwie bekannt vor, obwohl sie nicht sofort das entsprechende Gesicht dazu hatte.
Reza nickte eifrig. »Du weißt sofort, wer sie ist, wenn du sie siehst … das heißt vielleicht auch nicht, so wie sie jetzt aussieht, ihr Kopf ist eine einzige blutige Masse, aber das ist die, die sich immer für die Einwandererfrauen einsetzt, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Auf Amager hat sie eine Zufluchtsstätte nur für diese Frauen gegründet. Sie hat wirklich Mut. Ich habe großen Respekt vor ihr.«
»Wie sicher seid ihr euch, dass sie es ist?«, fragte Rebekka, während sie mit großen Schritten dem Eingang zustrebte. Wenn es um die fragliche Frau ging, würde das ein beachtliches Presseaufgebot bedeuten, was die Ermittlungen gegebenenfalls stören, ja, nahezu behindern konnte, wenn die Zeitungen Geschichten und Bilder brachten, die mehr auf den Vermutungen der Reporter als auf den Fakten beruhten. Sie näherten sich dem Tatort, und Rebekka sah mehrere weiß gekleidete Gestalten oben auf der Festung herumspazieren. Das waren die Kriminaltechniker, die Spuren sicherstellten.
Reza versuchte atemlos mit ihrem Tempo Schritt zu halten. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht, und der weiße Schutzanzug klebte an seinem kräftigen Körper.
»Wir haben sie natürlich noch nicht endgültig identifiziert, doch nach Kreditkarte und Führerschein in der Tasche der Toten zu schließen, ist es Kissi Schack. Kissi ist zwar nur ihr Kosename – aber die meisten würden nicht einmal ahnen, wer sie ist, würde man von Kirsten Schack sprechen.«
Sie wurden durch die Absperrung gewunken und stiegen die Treppe zum Wall hoch. Reza zeigte zu einer alten Mühle hinüber.
»Sie liegt da drüben in der Ecke, am Fuß des Hangs unten am Wasser, direkt unter der Kongens
Weitere Kostenlose Bücher