Blut für Blut: Thriller (German Edition)
Außerdem gibt es zahlreiche Beispiele für solche Verhältnisse, denk nur mal an unsere frühere Staatsministerin, Anne Marie Vessel Schlüter – sie hat doch ein Kind mit dem sehr viel jüngeren Alexander Kølpin.«
Rebekka konnte ein Lächeln nicht unterdrücken über Rezas beleidigten Tonfall, und er hatte ja recht. Kasper Rosenstand könnte der Täter sein, wie so viele andere auch.
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»Iben.« Die Stimme war dunkler, als er sie sich vorgestellt hatte, aber trotzdem voller Liebreiz, und Sejr starrte einen Augenblick verblüfft vor sich hin.
»Hallo, hallo, wer ist denn da?« Sie war bereits verärgert, was auf ein aufbrausendes Temperament schließen ließ, genau wie bei ihm. Er spürte, dass es ihn freute, dann fiel ihm ein, dass er sich noch nicht vorgestellt hatte.
Er wollte es gerade tun, als die unfreundliche Stimme fortfuhr: »Hallo – würden Sie diesen Telefonterror wohl zum Teufel noch mal unterlassen?«
Der Hörer wurde aufgeknallt, und er starrte einen Augenblick mit großen Augen das Telefon an, dann lachte er laut los. Seine Tochter. Iben. Und sie kam nach ihm – ganz eindeutig. Das Lachen hörte nicht auf, hallte von den nikotingelben Wänden wider, bis es in ein tiefes Schluchzen überging.
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Die Stimmung in der Mordkommission kochte. Der Mord an Kissi Schack und die Jagd nach dem brutalen Serienvergewaltiger hielt die Ermittler in Atem. Aus der Bevölkerung kamen jede Menge Hinweise, und diese abzuarbeiten erforderte Zeit. Die gesamte Presse war auf den Beinen und umkreiste das Polizeipräsidium wie Bienen den Honigtopf. Inzwischen sah man den Mitarbeitern den starken Druck an, ebenso wie dem Chef der Mordkommission, dessen Haare wirr vom Kopf abstanden und dessen Hemd zerknittert war, obwohl er sonst immer einwandfrei gekleidet war. Brodersen hatte Rebekka, Reza, Simonsen und zwei weitere Ermittler zu einem kurzen Briefing einberufen.
»Wir alle hier sind uns darüber im Klaren, wie dringend nötig ein Durchbruch ist.« Er sah sie über den Rand seiner Brille düster an. »Fassen wir die Fakten zusammen: Kissi Schack wird am Mittwoch, den 18. Juni, zwischen 17 und 22 Uhr auf dem Kastell niedergeschlagen – den Rechtsmedizinern zufolge stirbt sie jedoch erst am folgenden Morgen. Sie fällt oder wird gestoßen und schlägt mit dem Hinterkopf gegen die Kanone auf Kongens Bastion. Anschließend schlägt der Täter mehrmals mit einem kaputten Pflasterstein auf ihr Gesicht und ihren Kopf ein, und schließlich stößt er Kissi über den Wall. Sie fällt zehn Meter in die Tiefe und landet im Gras des Wallgrabens. Sie stirbt an heftigen Gehirnblutungen und wird am Freitagmorgen um 10 Uhr 53 von einem der Gärtner des Kastells gefunden, der sie mit seinem Rasenmäher überfährt und unabsichtlich den linken Arm des Opfers abtrennt.«
Brodersen schwieg einen Augenblick und schob die Stapel auf seinem Schreibtisch hin und her, eine Angewohnheit von ihm, wenn er unter Stress stand.
»Warum musste Kissi sterben? Hat sie etwas gewusst, das der Täter geheimhalten wollte, oder stellte sie eine reale oder eingebildete Gefahr dar und musste deshalb sterben? Der Spaziergang auf dem Kastell wurde abgesagt, genau wie die anderen Mitglieder des Cairnklubs hat sie eine SMS von Leon Rothenborg bekommen, das geht aus der Auswertung der Telefondaten hervor. Trotzdem geht sie im strömenden Regen zum Kastell hoch. Warum?«
Brodersen ließ den Blick über die kleine Gruppe wandern und machte bei Rebekka halt. »Was sagt dir dein Gefühl, Rebekka?«
Rebekka ließ die Frage einen Augenblick auf sich wirken, während die Bilder des Tatorts vor ihrem inneren Auge vorbeizogen. Sie räusperte sich leicht.
»Als ich den Tatort zum ersten Mal gesehen habe, war mein erster Gedanke, dass der Täter eine persönliche Rechnung mit der Ermordeten offen hatte. Ich stelle mir vor, dass er Kissi aufgesucht hat, es kommt zum Streit, Kissi fällt oder wird gestoßen und schlägt mit dem Kopf gegen die Kanone. Ich glaube nicht, dass der Täter von vornherein vorgehabt hat, sie umzubringen, aber vielleicht ist er in Panik geraten oder er war so wütend, dass es keine andere Möglichkeit gab. Mit anderen Worten kann es sich sowohl um Gewalt mit Todesfolge als auch um einen geplanten Mord handeln. Aber es besteht kein Zweifel, dass Täter und Opfer sich kennen. Wie du gesagt hast, war ihr Gesicht stark misshandelt – wir wissen, dass Opfer und Täter sich in der Regel kennen, wenn das Gesicht mit grober Gewalt oder mit
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