Blut für Blut: Thriller (German Edition)
Gewissen, und er ließ sich schwer in den dunkelbraunen Lehnstuhl fallen und versuchte, Herr seiner Gefühle zu werden. Die Gedanken kreisten in seinem Kopf. Er konnte sich jetzt bei ihr melden, besser spät als nie, sagte man das nicht? Er sprang aus dem Lehnstuhl auf, stürmte ins Arbeitszimmer und griff nach dem Telefonbuch. Ibens Mutter, Hanne, hieß Winkler mit Nachnamen, daran erinnerte er sich genau. Sein nikotingelber Zeigefinger fuhr die Seiten hinunter, und da, da stand sie. Das musste sie sein. Iben B. Winkler, Njalsgade 42, 3. Stock rechts. Stand B für Brask? Ein Gefühl der Dankbarkeit durchströmte ihn, und er merkte, dass er lächelte.
Doch erst wollte er einkaufen, die Tageszeitungen kaufen, alle, um zu sehen, wie weit die Polizei mit der Aufklärung des Mordes an Kissi Schack war. Dann würde er seinen alten Freund bei der Polizei, Kriminalkommissar A.P. Jarler, anrufen. Sie hatten über mehrere Jahrzehnte vernünftig zusammengearbeitet, und Jarler war es auch gewesen, der seinerzeit Sejr gegenüber seinen Verdacht zum Ausdruck gebracht hatte, was den Täter von Charlotte B. Hansen anging, einen Verdacht, der nicht zu einer Festnahme geführt hatte, da der Verdächtige ein Alibi gehabt hatte. Wenn er mit Jarler gesprochen hatte, wollte er Iben anrufen. Sein Herz machte bei dem Gedanken einen zusätzlichen Schlag, und sein Mund wurde vor Angst ganz trocken. Es bestand kein Zweifel, dass das ein grenzüberschreitendes Erlebnis würde. Sejr eilte zur Wohnungstür. Es gab viel zu tun, und er hatte keine Zeit, länger hier herumzustehen. Es fühlte sich gut an, einen Plan für den Tag zu haben. Das hatte er allzu lange vermisst.
____
Kopenhagen roch nach warmem Asphalt. Die Leute bewegten sich apathisch, und es herrschte eine Art Ferienstimmung, nur nicht in der Mordkommission. Rebekka schwitzte in ihrer engen Jeans, und obwohl sie ein lockeres T-Shirt aus einem leichten, kühlen Stoff angezogen hatte, lief ihr der Schweiß den Rücken hinunter. Sie parkten in der Nähe der Adresse und klingelten kurz darauf. Niemand antwortete. K. Rosenstand sollte in der vierten Etage links wohnen. Reza klingelte erneut, während Rebekka einen Schritt auf die Straße hinaustrat, um zu dem Fenster hochsehen zu können. Sie machte eine Bewegung hinter der Scheibe aus.
»Da oben ist jemand!«, rief sie, und Reza hielt die Klingel gedrückt. Währenddessen rief sie Kasper Rosenstand an. Das Telefon läutete einige Male, dann nahm jemand ab.
»Hallo.«
»Spreche ich mit Kasper Rosenstand?«
»Öh, ja, mit wem spreche ich?« Die Stimme klang schüchtern und wurde von der Türklingel übertönt. Kasper Rosenstand war also in seiner Wohnung.
»Ich heiße Rebekka Holm und komme von der Mordkommission Kopenhagen, wir möchten gerne mit Ihnen reden. Wir stehen unten vor Ihrer Tür und finden, Sie sollten uns aufmachen.« Es war still, dann gab Reza ihr ein Zeichen, dass geöffnet worden war, und Rebekka schlüpfte mit ins Haus. Ein jüngerer, muskulöser Mann mit hellem, struppigem Haar erwartete sie an der Tür. Er trug ein hellgraues T-Shirt und eine zerknitterte Jogginghose und sah wirklich schlecht aus. Sie stellten sich vor, zeigten ihre Polizeimarken und wurden in eine sonnige, nicht ganz aufgeräumte Junggesellenwohnung geführt. Es war warm und stickig.
»Wir haben mehrmals versucht, Sie zu erreichen.« Reza hatte Schwierigkeiten, den Ärger aus seiner Stimme herauszuhalten.
Kasper Rosenstand rieb sich kräftig die Augen.
»Mir ist es richtig schlecht gegangen. Ich habe die meiste Zeit geschlafen und wollte Sie anrufen, wenn es mir besser geht.« Sein Blick begegnete Rebekkas.
»Sie wissen wohl, warum wir hier sind?«, fragte sie ruhig, und er nickte langsam mit einem gequälten Ausdruck.
»Das ist so schrecklich, ich kann das gar nicht verstehen. Es fühlt sich so unwirklich an.«
»Wie gut kannten Sie Kissi Schack?«
Kasper Rosenstand zuckte mit den Schultern und fingerte an einer Packung Strepsil herum, die auf dem Sofa lag. Er schob sich eine Pastille in den Mund.
»Ich habe sie nicht privat gekannt, falls es das ist, was Sie meinen. Aber als Kollegin habe ich sie gut gekannt. Wir haben uns in Lundely ein Büro geteilt. Kissi, Kristine, Boel und ich, und wir sind gut miteinander ausgekommen. Kissi war super nett, sie war so jemand, der immer das Richtige tat, jemand, zu dem man gehen konnte, wenn man mit jemandem reden musste.« Er schwieg, und einen Moment war nur ein leises, methodisches Lutschen zu
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