Blut für Blut: Thriller (German Edition)
sollten. Sie verbirgt irgendetwas, dem Kissi auf die Spur gekommen sein könnte. Wir sind dabei, ihr Alibi und das ihres Mannes zu überprüfen.«
»Das ist eine interessante Theorie, Rebekka. Bestell das Ehepaar noch mal zum Verhör hierher und setz ihnen gründlich zu. Wir haben in den letzten sechs Tagen über hundertfünfzig Menschen befragt und sind trotzdem keinen Schritt weiter. Wir haben keine verwertbaren Spuren, nichts, das heraussticht. Die Ermordete lebte in guten finanziellen Verhältnissen, in so guten, dass sie ein Vermögen von gut und gern anderthalb Millionen Kronen hinterlässt, um genau zu sein; ihre familiären und freundschaftlichen Beziehungen waren intakt, und für ihre Arbeit hat sie große fachliche Anerkennung genossen. Wir sind ihre Telefongespräche durchgegangen, und es haben sich keine Auffälligkeiten ergeben, sie hat mit den Menschen gesprochen, die zu ihrem Umfeld gehören. Das stimmt doch, Simonsen?«
Simonsen nickte, und Brodersen fügte hinzu: »Wir haben die toxikologischen Ergebnisse von den Rechtsmedizinern bekommen, die Ermordete stand nicht unter der Einwirkung von Drogen, und auf ihrem Körper haben sich keine fremden biologischen Spuren gefunden.« Er sah sie über den Brillenrand hinweg missmutig an. »Wir brauchen einen Durchbruch. Unser Einsatz steht im Scheinwerferlicht, die Presse verfolgt alles minutiös – glücklicherweise haben sie den Serienvergewaltiger, auf den sie sich stürzen können und der erst einmal größere Angst in der Bevölkerung auslöst als der Mord an Kissi. Dafür war sie bekannt, und ihr Tod hat die Leute tief berührt. Ich bekomme täglich Briefe und Anrufe von Fremden mit dem einen oder anderen Tipp. Die Leute beschäftigen sich mit dem Fall und wollen gerne helfen – viele haben das Gefühl, sie gekannt zu haben. Aber so ist das ja oft, wenn es um Fälle mit hohem Profilierungswert geht.« Brodersen öffnete die Tür eines Einbauschranks in der Wand hinter sich. Auf der Rückseite der Tür hing eine vergilbte Doppelseite aus einer Boulevardzeitung. Unaufgeklärte Frauenmorde stand da, und darunter waren die Schwarz-Weiß-Fotografien der Frauen zu sehen, deren Morde noch immer nicht aufgeklärt waren. Rebekka starrte die Bilder an, während sich ihr die Gesichter einprägten. Ihr wurde übel.
»Kissi will ich möglichst nicht hier an meiner Tür hängen haben«, brummte der Chef der Mordkommission finster und beendete die Besprechung.
____
Rebekka beschloss, sich zum Abendessen mit Dorte zu treffen. Sie verabredeten sich im Europa, und Rebekka spazierte zu dem Café, das zehn Minuten vom Präsidium entfernt lag. Der Sommerabend war hell und lau und die Stadt voller Menschen, die in den verschiedenen Straßencafés und Restaurants saßen. Der Kopfschmerz hatte endlich nachgelassen, und sie versuchte sich zu entspannen.
Dorte winkte ihr zu, als sie näher kam. Es war der Freundin gelungen, einen der Tische draußen zu ergattern, und sie umarmten sich zur Begrüßung.
»Ist das lange her. Du siehst gut aus, Bekka. Ein bisschen müde vielleicht, aber gut.« Dorte hielt Rebekkas Gesicht in den Händen, und Rebekka lächelte.
»Ich bin auch müde. Hundemüde, um genau zu sein, dieser Fall macht mich fertig, und wir drehen uns im Kreis, ohne weiterzukommen. Gleichzeitig treibt der Serienvergewaltiger weiter sein Unwesen. Ich bin nicht länger an dem Fall dran, natürlich nicht, aber mir fällt es trotzdem schwer, ihn loszulassen. Aber genug davon. Wir wollen von dir reden. Wie geht es dir ?« Sie betrachtete die Freundin eingehend. Dorte sah, gelinde gesagt, erschöpft aus, und es war offensichtlich, dass ihr breites Lächeln kompensierte, was sie in ihrem tiefsten Inneren fühlte.
»Ich weiß nicht mehr ein noch aus, Bekka.« Die Augen der Freundin füllten sich mit Tränen, und Rebekka drückte ihre Hand und wollte gerade etwas sagen, als ein Kellner an ihren Tisch kam. Sie bestellten ihr Essen und Mineralwasser, und einen Augenblick saßen sie nur da und betrachteten schweigend ihre Umgebung. Rund um den Storchenbrunnen hatte sich eine Gruppe junger Leute mit Bier und Pizza versammelt, und ein jüngerer Straßenmusikant, an den Rebekka sich schwach von irgendeiner Talentshow im Fernsehen erinnerte, unterhielt das Publikum mit seinen gefühlvollen Balladen.
»Uns geht es entsetzlich.« Dorte blickte Rebekka direkt an, während sie an ihrem Mineralwasser nippte. »Entweder wir streiten oder wir ignorieren einander, und diese Situation
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