Blut für Blut: Thriller (German Edition)
fort.
»Störe ich?« Rebekka fuhr erschrocken zusammen, als sie die dunkle Silhouette in der Tür zu ihrem Büro sah, doch der singende Akzent war zum Glück gut erkennbar, und sie atmete erleichtert durch. Es war der Schwede.
»Ich wollte dich nicht zu Tode erschrecken, aber gut, dass du hier bist, ich habe versucht, mit dem Schlüssel mein Büro aufzuschließen, aber er passt nicht. Zwischen den Büros ist doch nicht abgeschlossen, oder?« Sie schüttelte den Kopf, und Niclas durchquerte mit zwei Pizzaschachteln in der Hand ihr Büro. Er drehte sich zu ihr um und lächelte schief. »Magst du mir Gesellschaft leisten? Ich habe plötzlich Hunger bekommen. Ich habe den ganzen Tag an dieser Vergewaltigungssache geackert, und am Abend bin ich durch die Stadt gelaufen, um mir die verschiedenen Tatorte anzuschauen. Ich wollte sehen, ob es irgendeinen Zusammenhang gibt …«
Rebekka sah ihn interessiert an. Der Duft der Pizzen kitzelte in ihrer Nase, und obwohl sie eigentlich keinen Hunger hatte, könnte sie gut ein oder zwei Stück Pizza mitessen – der Gemütlichkeit halber, wenn denn aus keinem anderen Grund. Sie stand auf und streckte sich. »Ja, danke, was die Pizza angeht, und gleich eine Frage: Hast du etwas Neues herausbekommen?«
Niclas schüttelte den Kopf.
»Nee, nichts Neues, leider. Aber komm mit in mein Büro, dann reden wir drüber.«
Eine Viertelstunde später hatten sie die Pizzen vertilgt, und Rebekka merkte, dass ihre Hose spannte und sie Sodbrennen hatte.
»Du warst nur ein paar Tage an dem Fall in der Toldbodgade dran, nicht wahr?«
Rebekka nickte.
»Hast du dich in die früheren Vergewaltigungsfälle eingearbeitet?«
»Nur oberflächlich. Als wir am Tatort in der Toldbodgade eintrafen und über die Verletzungen des Opfers informiert wurden, kam Brodersen sofort der Verdacht eines Zusammenhangs zwischen dieser Vergewaltigung und den beiden anderen unaufgeklärten Fällen, aber wir mussten ja die DNA-Ergebnisse abwarten, um sicher zu sein.«
Niclas nickte und klopfte leicht auf die Aktenmappen.
»Ich habe hier die Fallakten der ersten beiden Vergewaltigungen, die uns bekannt sind. Das erste Opfer wurde am Freitag, den 22. März 2002, in der Nähe des Kildevældsparks am Rand von Østerbro überfallen. Das Opfer hieß Malene Juul, war 26 Jahre alt, schlank, hatte lange, dunkle Haare und ist mit einem blauen Auge, einer heftigen Gehirnerschütterung und Blutergüssen in den Augen durch den Würgeversuch ziemlich glimpflich davongekommen. Das zweite Opfer hieß Sofie Svendsen, sie wurde am Samstag, den 24. April 2004, um halb zwei Uhr nachts in der Nähe des Christianshavn Vold niedergeschlagen und vergewaltigt. Auch sie war jung, schlank und beschwipst. Hier ging der Täter brutaler vor. Den Ärzten zufolge hat sie in höchster Lebensgefahr geschwebt, sie hatte deutliche Punktblutungen in den Augen, und er hat ihren Kopf mehrmals auf den Boden geschlagen, was zu einer Blutansammlung im Gehirn geführt hat. Brodersen zufolge soll sich das Opfer rein physisch völlig erholt haben. Doch die Intervalle zwischen den Vergewaltigungen werden immer kürzer. Anfangs lag über ein Jahr zwischen den einzelnen Fällen, in Stockholm war es nur noch ein Monat, und jetzt ist es nur noch eine Woche.«
Rebekka nickte. Es war die bekannte sexuelle Spirale, die man oft bei Sexualverbrechen sah. Das erste Verbrechen war das schwerste. Wenn der Täter erst diese Barriere überwunden hatte, wurde es immer leichter für ihn, und die Intervalle zwischen den Vergewaltigungen wurden immer kürzer. Außerdem wurde der Täter auch immer dreister und damit gefährlicher. Das erhöhte das Risiko, dass die Vergewaltigungen brutaler wurden und mit der Ermordung der Opfer endeten.
Sie erörterten die Details noch eine Stunde, bis Rebekka mit lautem Gähnen verkündete, dass sie im wortwörtlichen Sinne in sich zusammensacken würde, wenn sie nicht etwas Schlaf bekam.
Sie kehrte in ihr Büro zurück, fuhr den Computer herunter und schaltete das Licht aus. Sie ging noch den dunklen, hallenden Gang hinunter zur Toilette. Sie sah in den runden Spiegel über dem Waschbecken, betrachtete ihr blasses Gesicht mit den markanten Wangenknochen, den großen Augen und dem langen, dunklen Haar. Sie fuhr mit der Hand hindurch und schauderte plötzlich bei dem Gefühl. Es war das Haar, das den Serienvergewaltiger erregte. Sie verließ schnell das Gebäude und atmete erleichtert auf, als sie in ihrem Auto saß.
____
Es war nach
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