Blut Licht
durch den Krieg noch viele Gebäude zerstört sind, die Infrastruktur durchweg marode ist und das Telefonnetz regelmäßig zusammenbricht, kann ich nicht ausschließen, dass der andere Teilnehmer über die Möglichkeiten verfugt, den Anruf zurück zu verfolgen.“
„Ich könnte meine Nummer unterdrücken“, gab Alistair zu bedenken, doch mein Mann war nicht überzeugt: „Lass uns den Teilnehmer durch ein für uns ungefährlicheres Verfahren herausfinden.“ Während er sich ein wenig abwandte, tippte er eine lange Nummer in sein BlackBerry. Nach nur einem Klingeln wurde am anderen Ende der Leitung abgenommen.
„Hallo John“, begrüßte Darian den anderen Teilnehmer, lauschte und ließ die Mundwinkel tanzen. „Ja, wie du hörst, gibt es mich noch ... Stimmt, es ist verdammt lange her.... Ich kann nicht klagen, danke. Ich hoffe, bei dir ist ebenfalls alles in bester Ordnung. Die Familie? ... Freut mich zu hören ... Aber selbstverständlich. Richte ihr meine Grüße aus ... Nein, deswegen rufe ich nicht an. Du kennst mich gut genug. Ich habe eine Bitte an dich. Kannst du für mich eine
Nummer überprüfen?... Genau. Name und genauen Standort. Stammt aus dem Irak, vermutlich Basrah. Ich schicke sie dir als Textnachricht ... Stimmt, wie in alten Zeiten ... Ja, unter dieser Nummer kannst du mich jederzeit erreichen ... Okay, kein Problem. Danke, du hast was gut bei mir. Wir hören voneinander.“ Er lachte noch einmal und legte auf. Dann drehte er sich wieder zu uns um, bemerkte unsere verwirrten Blicke und grinste. „John ist ein alter Freund im Außenministerium. Wir hatten mehrere Male miteinander zu tun. Er konsultierte mich des Öfteren als Berater oder Vermittler, wenn es um die Belange des Britischen Empire in Verbindung mit dem Nahen Osten ging.“
„Wie praktisch“, murmelte Alistair und ich pflichtete ihm insgeheim bei. Zugleich machte ich mir die geistige Notiz, demnächst eine Liste von Darians Kontakten einfordern zu müssen, falls ich die selbst einmal in Anspruch nehmen wollte. Sicher war sicher.
„Ich habe sie dir bereits erstellt und zusammen mit einigen wichtigen Daten auf einem Stick im Bankschließfach unserer Schweizer Hausbank deponiert“, antwortete Darian auf meine unausgesprochene Frage und lächelte mir unschuldig entgegen.
Ich spiegelte seine Mimik und griff wortlos nach meiner Kaffeetasse, verschüttete aber die Hälfte des Inhalts, als mein Bruder leichthin äußerte: „Hast du Shekinah darüber informiert, dass wir die Schriftrolle gefunden haben?“
„ Wie bitte ?“ Wie genau war sie über unsere Unternehmungen denn im Bilde? War das nicht auch für sie überaus gefährlich?
„Das wollte Kahina übernehmen“, überging Darian meine Äußerunggeflissentlich. „Allerdings erst, nachdem wir die Bilder genauer angesehen haben.“
Bevor ich mich von meiner Überraschung erholen konnte, surrte der Kartenleser und die Appartementtür sprang auf. Sofort erklang ein Johlen und auf wackeligen Beinchen lief Lilianna auf ihren Vater zu, der sie überschwänglich begrüßte, indem er sie in die Arme nahm und herumwirbelte. Meiner Tochter folgten die Großeltern, von denen Ernestine weitaus erholter aussah als mein Vater.
„Meine Holde ließ sich von einem knackigen Masseur mit heißen Steinen verhätscheln, während ich versucht habe einen Sack Flöhe zu hüten“, erklärte Dad und ließ sich erschöpft in den Sessel fallen. Derweil schnalzte Ernestine genussvoll, grinste und tätschelte meinem Vater das Haupt. „Die Möglichkeit hattest du auch. Du wolltest nur nicht.“
Er musterte sie erbost. „Entschuldige bitte, Ernie, dass ich nicht auf muskelbepackte, braungebrannte Masseure mit Haarpomade und eingerastetem Dauerlächeln stehe, die in ihren weißen Klamotten irgendwie schwul aussehen.“
„Ist er denn schwul?“, konnte ich mir die spontane Frage nicht verkneifen, erntete von Dad einen Aschehaufenblick und von Ernestine ein zuckersüßes Lippenkräuseln mit den geträllerten Worten: „Nein. Ich war so frei, ihn nach seinen Neigungen zu fragen. Er verneinte.“ „Du hast was getan?“
„Ihn gefragt, Duncan. In meinem Alter darf ich das, da habe ich in solchen Dingen Narrenfreiheit.“ Sie klopfte ihm mitfühlend auf die Schulter und zwinkerte mir zu. „Um achtzehn Uhr hat er noch einen Termin frei - falls du Interesse hast, Kindchen. Seine Hände sind-“ „- genau dort, wo sie hingehören. Oder sie sind ab“, unterbrach Darian, legte mir seinen freien Arm
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