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Blut Licht

Titel: Blut Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abrantes
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nach war das unnötig. Kahina sprang in Windeseile die zwei Stufen zur Terrasse hinauf und wurde mit einer herzlichen Umarmung empfangen. Geflüsterte Worte wurden gewechselt. Dann drehte Kahina sich mit einer heranwinkenden Geste zu uns um und ich hörte, wie sie uns nacheinander vorstellte.
    Als Darians Name fiel, erklomm er die wenigen Stufen und kniete vor der alten Frau nieder. Dabei ergriff er ihre beiden Hände und drückte diese gegen seine Stirn. Was er ihr dazu sagte, war auf diese Distanz nicht auszumachen. Anscheinend waren es die richtigen Worte, denn sie lächelte, entzog ihm die rechte Hand und strich ihm gutmütig über das Haupt. Danach bat sie ihn, sich zu erheben und musterte ihn genauer.
    Der Größenunterschied war beachtlich. Darian überragte die kleine Frau um Längen. Ihre Stirn erreichte gerade die Höhe seines Brustbeins. Zudem ließ seine kraftvolle Gestalt sie zerbrechlicher wirken, als sie tatsächlich war. Trotz seiner immensen Körpergröße war sie keineswegs eingeschüchtert. Sie musste zwar ihren Kopf in den Nacken legen, doch blickte sie ihm unerschrocken in die Augen. Mehr noch, sie streckte beide Hände aus und umfasste sein Gesicht. Dabei trat ein Lächeln auf ihre Züge, das mich glauben ließ, sie würde gleich anfangen zu leuchten. Schon erstaunlich, dass Darian diese Wirkung auf Frauen jeden Alters ausüben konnte. Es war offensichtlich, dass selbst diese alte Frau bei seinem Anblick dahinschmolz.
    Nein, ich war nicht eifersüchtig. Keineswegs. Nicht auf eine Frau dieses Alters. Das wäre ja lächerlich. Wirklich.
    Okay, ertappt. Mist.
    Als Kahina meinen Namen nannte, ruckte der Kopf der Alten überrascht in die Höhe. Sofort spürte ich, wie ihr scharfer Blick sich an mir festsaugte, sie jede noch so winzige Regung meines Gesichts studierte und mir selbst keinerlei Gemütsbewegung offenbarte. Doch plötzlich streckte sie ihre runzelige Hand nach mir aus und flüsterte ehrfürchtig: „ Ingles .“
    Ach du dickes Ei! Jetzt erst dämmerte es mir. Nie im Leben hätte ich sie erkannt. Ich konnte gerade noch an mich halten, sie nicht perplex und mit einer unterirdisch dümmlichen Mimik wortlos anzuglotzen. Gleichzeitig ratterte es dermaßen in meinem Hirn, dass ich fast befürchtete, mir würde gleich Qualm aus den Ohren quellen. War es tatsächlich möglich, dass diese alte Frau ...
    „Komm schon her, Faye“, winkte Kahina mich freudig heran. „Meine
    Großmutter möchte dich betrachten. Shekinahs Augen sind nicht mehr so gut wie früher.“
    Oh, das wagte ich ernsthaft zu bezweifeln. So, wie sie mich eben unter die Lupe genommen hatte, schienen ihre Augen durchaus mit denen eines Adlers konkurrieren zu können. Dennoch schob ich das Kopfteil nun komplett herunter und kam zögerlich näher.
    Shekinahs energische Handbewegung signalisierte Ungeduld und ich eilte die beiden Stufen hinauf. Ich wäre vor ihr stehen geblieben, wenn sie nicht mein Handgelenk umfasst und mich in das Haus gezogen hätte. Mit ungeahnter Kraft schob sie mich quer durch einen geräumigen, spärlich möblierten Raum. Offenbar dem Wohnraum, dessen Mobiliar lediglich auf einige rechtwinklig angeordnete dicke Sitzkissen und eine antike Stehlampe, einen runden flachen Tisch mit Metallplatte und ein dunkles Sideboard begrenzt war. Den dicken, einstmals farbenprächtigen Teppich und die großen, goldfarben umrahmten Schwarzweißfotografien an der Wand ließ ich dabei außer Acht. Unterhaltungsmedien wie ein Radio oder gar Fernseher suchte ich vergebens.
    Indes schob Shekinah mich bis hinüber zu der schiefen Lampe mit dem staubig gelben Schirm und gebot mir, auf einem der Kissen rechts daneben Platz zu nehmen. Behutsam ließ ich mich auf dem Polster nieder und spürte sofort jede einzelne Materialverknotung des durchgesessenen Teils empfindlich in mein Hinterteil drücken. Gleichzeitig protestierten Knie und Rücken, was ich unter Aufbietung der Reste meines inzwischen weich geklopften Willens irgendwie ignorierte. Während ich herumrutschte und eine angenehmere Position suchte, streifte ich voll Dankbarkeit diesen stinkenden Tschador ab, wobei ich insgeheim befürchtete, nun selbst wie eine Ziege zu müffeln. Derweil ließ Shekinah sich neben mir nieder und überrumpelte mich, indem sie mir großmutterähnlich in die Wange kniff. Offenbar hatte sie erwartet, dass mir zentimeterdick aufgetragene Spachtelmasse wie Putz vom Gesicht zerbröckelte, denn sie nahm blitzartig ihre Hand fort, riss ungläubig die

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