Blut Licht
Häuser. Ist zumindest eine sinnvolle Verwendungsart, statt das Zeug ungenutzt herumliegen zu lassen. Um den Garten ist es schade. Der war wirklich schön."
Ich konnte mir die einstige Pracht nur halbwegs vorstellen, da das Areal durchweg verwildert war. In einiger Entfernung erblickte ich ein paar verkümmerte Olivenbäume und vertrocknete Sträucher. Zudem standen unzählig abgeholzte Baumstümpfe herum, deren Stämme wohl dem Heizen oder Kochen zum Opfer gefallen waren. Als ich ein paar Ziegen bemerkte, die sich mit klimpernder Untermalung ihrer Halsketten über die vertrockneten Halme des zähen Bewuchses hermachten, huschte mir ein Lächeln um die Lippen. Zumindest in diese Richtung erfüllte der ehemalige Garten weiterhin einen Sinn. „Von hier aus ist es nicht mehr weit“, beglückte mich Kahina weiter. „Wir folgen dem Trampelpfad und dann ein kurzes Stück die Straße entlang. Dann kommen wir in eine kleine Siedlung. Da müssen wir hin.“
Hätte ich geahnt, dass sie ihre Vorstellung von einem kurzen Stück wesentlich entspannter definierte als ich, hätte ich sie aus Verzweiflung vermutlich vermöbelt. So aber schlurfte ich hoffnungsvoll neben ihr her. Zumindest für eine Weile. Das jedoch endlich mit aufrechter Haltung, aber wunden Füßen und puckernden Knien.
Schließlich wurde eine komplette Stunde daraus. Ich schlurfte nicht mehr, ich stampfte. Allein schon, um nicht mitten im Laufen vor Erschöpfung einzuschlafen. Und das trotz brennender Fußsohlen, einem schmerzenden Rücken, eintretender Müdigkeit und mit einer Laune, die mordlüstern in mir brodelte. Mehrfach ermordete ich Kahina innerlich. Mit jedem schmerzenden Schritt bohrten sich die Dolche meiner Blicke tiefer in ihren Rücken. Daher hielt sich meine Dankbarkeit arg in Grenzen, als wir die angekündigte Siedlung endlich erreichten, die aus einem zweistöckigen Lehmziegelhaus mit Balkon und einer kleinen Terrasse bestand. Zudem befand sich einige Meter daneben eine umzäunte Stallung, aus der eindeutig die Laute mehrerer Ziegen zu uns drangen.
Kapitel neununddreißig
W ir hatten das Haus noch nicht ganz erreicht, als die Tür bereits einen Spalt weit geöffnet wurde und uns, neben dem Lauf einer Waffe, eine tiefe männliche Stimme entgegenschallte. Ich verstand die Worte nicht, ahnte aber deren Inhalt und blieb instinktiv stehen.
Kahina aber erwiderte etwas in der gleichen Sprache und trat an Darian vorbei auf die Tür zu. Nur zögerlich wurde diese ein wenig weiter geöffnet. Ein kurzer Wortwechsel aus dem Innern der Behausung erfolgte, dann hörte ich eine eindeutig weibliche Stimme mit unverkennbar gebieterischem Unterton und die Tür schwang auf. Für einen Moment blendete mich das Licht aus dem Innern des Hauses, das einzig die Silhouette einer auf einen Gehstock gestützten Person erkennen ließ. Dann erschien eine weitere, wesentlich größere und eindeutig männliche Gestalt mit einer Gaslampe in der Hand, deren Schein sogleich das Areal erleuchtete. Ich glaubte, in dem dunkelhäutigen Riesen mit den dunklen Augen, dem schwarzen Haar und den orientalisch ebenmäßigen Gesichtszügen einen von Kahinas Beschützern wiederzuerkennen, der sie damals in die Staaten begleitet hatte. Sogar die seinen Oberkörper überziehenden Tätowierungen kamen mir vage vertraut vor. Er musterte mich ebenso eingehend wie ich ihn zuvor, und als ich das Kopftuch meines Tschadors ein wenig zurückschob, leuchtet etwas wie Erkennen in seinen Augen auf. Ob es nun am flackernden Schein der Lampe lag oder er mir tatsächlich kaum merklich zunickte, konnte ich nicht sagen.
Dann richtete ich mein Augenmerk auf die andere, wesentlich kleinere Person und blinzelte erstaunt. Es war eine Frau. Eine recht alte Frau von schätzungsweise siebzig Lenzen. Wer war sie? Möglicherweise Kahinas Großmutter. Doch wo war Shekinah? Obwohl ich suchte, war keine andere, weibliche Person auszumachen. Folglich lenkte ich meinen Blick zurück zu ihr.
Ihr Gesicht zeugte von hohem Alter und war von tiefen Falten durchzogen. Das weiße Haar war nur unzulänglich durch ein Kopftuch verborgen, als habe sie es in Eile angelegt. Unter einem dunklen Überwurf trug sie ein weites Gewand, das ich als ein Nachthemd identifizierte. Scheinbar hatten wir sie aus dem Bett geworfen. Etwas in mir wollte sich für unser unangemeldetes, nächtliches Eindringen entschuldigen. Allerdings fehlte mir dafür die sprachliche Kenntnis. Daher probierte ich ein schuldbewusstes Lächeln.
Dem Anschein
Weitere Kostenlose Bücher