Blut Licht
Ich konnte ihn weder sehen noch spüren und wusste doch, dass er hier irgendwo sein musste. Vielleicht in dem hinteren Raum.
Unvermittelt rannte etwas in mich hinein oder sogar durch mich hindurch - so genau konnte ich das auf die Schnelle nicht definieren. Ich zumindest hatte mich nicht bewegt. Unwillkürlich musste ich mich schütteln. Igitt! Was war das denn gewesen?
Es fühlte sich eiskalt an, hinterließ einen merkwürdig muffigen Geschmack auf der Zunge und schien auf meiner Haut nachzubrennen, obwohl diese sich im physischen Zustand hinter der Mauer befand. Als wäre das nicht genug gewesen, geschah es kaum eine Sekunde später noch einmal. Diesmal allerdings weniger schnell und den vorher genommenen Weg wieder zurück. Für einen Moment kam es mir so vor, als würde Was-auch-immer unmittelbar in mir stehen, um kurz darauf auf der anderen Seite wieder hinauszugeleiten. Dann sah ich mit einem Mal etwas auf mich zufliegen. Scharf, metallisch, spitz und verflixt mörderisch. Ich duckte mich blitzschnell ab. Da zischte es über mich hinweg und blieb nachfedernd in der Wand stecken. Ein dreieckiger Wurfstern.
Ein Wurfstern? Nein, wohl eher zwei, denn der nächste Stern sauste bereits knapp an meinem linken Ohr vorbei, um sich zum Ersten zu gesellen.
Ich glaube, ich wurde entdeckt , resümierte ich verwundert und trat zügig den Rückzug an.
„Der Bursche ist gut“, meinte ich, kaum dass ich zurück war. „Konnte ihn zwar nicht sehen, dafür aber umso besser spüren. Echt ekelhaft.“ Ich stieß mich von der Wand ab und drehte mich zu Darian um. Mir lagen noch weitere Bemerkungen in Bezug auf meine klebrige Erfahrung auf der Zunge, doch ließ sein angespannter Gesichtsausdruck mich alarmiert innehalten.
Just in diesem Augenblick knarrte die Tür in den Angeln und ein dünnes Stimmchen rief etwas auf Persisch. Darian ließ mich los, trat zurück und ging langsam auf die Hausecke zu. Dort blieb er stehen und antwortete in der gleichen Sprache. Ich atmete genervt aus. Das war doch wieder so was von klar. Ich machte die Arbeit, durfte das Ergebnis aber nicht ernten.
Ein weiterer Wortwechsel folgte. Daraufhin umrundete Darian die Ecke und trat einige Meter von der Tür entfernt auf die offene Fläche hinaus.
Mein sorgenvoller Blick traf auf meinen Bruder, der soeben aufgehört hatte, das zerfetzte T-Shirt von seinem Oberkörper zu zupfen und mich seinerseits fragend ansah. Dann bemerkte ich Steven, blutbefleckt und in leicht derangierter Kleidung unter seinem aufgespannten Schirm neben Kahina stehen. Ihre Miene ähnelte der meinen. Sein schmales, freudloses Lächeln aber ließ einen unangenehmen Schauer mein Rückgrat hinablaufen. Ganz offensichtlich hatte Steven, als Einziger von uns, eine Ahnung davon, was gerade vor sich ging.
Schön und gut - wir befanden uns auf iranischem Boden, von daher war es nur logisch, dass diese Sprache gesprochen wurde. Aber -verdammt noch mal! - konnten die anwesenden Herrschaften nicht zumindest ein paar Brocken meiner Sprache sprechen, damit ich zumindest den Hauch einer Chance hatte, etwas zu verstehen und nicht nur als dümmlicher Statist in der Gegend herumstehen musste?
Dieser Wunsch sollte umgehend in Erfüllung gehen.
„Ich hätte nicht vermutet, dich hier zu sehen, Dahad“, vernahm ich aus dem Haus eine männliche Stimme.
Ich horchte auf. Er kannte Darians wahren Namen. Wer war er? Mein Mann wusste wohl, mit wem er es zu tun hatte, denn er nickte zum Gruß und antwortete gedehnt: „Ich hingegen hätte niemals damit gerechnet, dass du dir an unschuldigen Menschen die Hände beschmutzt, Rahid.“
„Niemand ist in diesem Spiel gänzlich unschuldig“, erwiderte der Angesprochene und lachte freudlos auf. „Gerade dir sollte diese Tatsache bestens bekannt sein.“
„Dem kann ich nicht widersprechen.“ Mein Mann trat einen Schritt auf die halb angelehnte Tür zu und beschrieb eine einladende Geste. „Daher überlasse ich dir die Entscheidung, wie dieses Spiel ausgehen soll.“
Wiederholt erklang ein freudloses Lachen. „Wäre die Situation eine andere, würde ich den friedfertigen Ausgang wählen. Doch diese Alternative habe ich vor einiger Zeit verwirkt.“
Darian schüttelte bedauernd den Kopf. „Es gibt immer eine Wahl. Lass das Mädchen gehen und du kannst unbeschadet deiner Wege gehen.“
„Ich weiß dein Angebot wahrlich zu würdigen, muss es aber ablehnen. Vor einiger Zeit gelangten Gerüchte an mein Ohr, die besagten, dass du deine neutrale
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