Blut Licht
das Ersatzrad suchen? Ach, egal. Immerhin haben wir die drei Kamele. Damit sollten wir gut vorankommen.“
„Und wohin genau?“, erkundigte Alistair sich lauernd.
Sie winkte die verbliebene Mannschaft zu sich heran. „Ich wollte warten, bis der Blutsauger fort ist, ehe ich euch sage, was Shekinah mir kurz vor ihrem Aufbruch verraten hat. Ich weiß jetzt, wo wir die letzte Schriftrolle finden.“ Nun war ihr sämtliche Aufmerksamkeit gewiss und wir hingen wie gebannt an ihren Lippen. „Großmutter erzählte mir, dass Überlieferungen besagen, die erste Wächterin der fehlenden Rolle sei, auch deren letzte gewesen und dass sie noch immer über die Schriftrolle wachen würde. Sie sagte mir ebenfalls, dass sie diese Information für gewöhnlich nur auf ihrem Sterbebett an mich weitergegeben hätte. Wundert mich daher wenig, dass ich nichts davon gewusst habe. Nördlich der Stadt Behbehan sollen sich die Ruinen von Arrajan befinden. Ich bin leider nie da gewesen und kenne mich dort nicht aus. Aber laut meiner Großmutter soll sich das Grab der Wächterin irgendwo innerhalb eines Tempels befinden.“ „Ich glaube, ich weiß, wovon sie sprach“, grübelte Darian halblaut und sah Kahina anschließend fest an. „Ja, ich erinnere mich. Ich kenne diese Gegend recht gut, da ich mich dort in einer alten Burg und auch der Stadt aufgehalten habe. Ich weiß, dass sich Thalion in Arrajan ebenfalls oft aufgehalten hat. Hm, das bereitet mir ein wenig Sorge. Aber es gab dort, wie in vielen antiken Städten damals üblich, einen Feuertempel, der anhand seines Verwendungszwecks vermutlich das beste Versteck gegen das unbefugte Eindringen von Vampiren darstellte. Während der islamischen Eroberungen wurden diese Tempel hauptsächlich vernichtet oder zu Moscheen umfunktioniert. Wir werden uns vor Ort überraschen lassen müssen. Hat deine Großmutter etwas Genaueres über den Standort des Grabes verlauten lassen?“ „Leider nicht. Bleibt nur zu hoffen, dass dieses Grab nicht gefunden und geplündert wurde.“
Sogleich war mein Bruder voll abenteuerlichem Tatendrang. „Wann brechen wir auf?"
Darian und ich sahen gleichzeitig zu Steven hinüber, wobei ich laut dachte: „Solange Steven noch dermaßen neben der Spur ist, müssen wir abwarten. Wir können ihn so keinesfalls mitnehmen.“
„Geht das überhaupt?“, grübelte Kahina laut. „Wir sind tagelang unterwegs. Willst du ihn tagsüber zusammen mit seinem Schirmchen auf eines der Kamele klemmen? Ich wage zu bezweifeln, dass es ihm zuliebe Dauerregen geben wird.“
Ihr Argument war nicht von der Hand zu weisen und ich musste einsehen, dass sie recht hatte. Selbst wenn Steven auf der Höhe seiner körperlichen Leistungsfähigkeit gewesen wäre, er würde uns auf dem jetzigen Pfad nicht folgen können. Es sei denn ...
„Denk nicht einmal daran.“ Darian lächelte bedauernd. „Mein Blut enthält viele Informationen, Faye. Die Fähigkeit, schadfrei dem Sonnenlicht zu widerstehen, ist nicht dabei.“
„Was bei dem ganzen Chaos in meinem Kopf wenigstens ein kleiner Trost gewesen wäre“, erklang nun die matte Stimme des Gebeutelten mit einem nachfolgenden Aufstöhnen.
Wir ließen es uns nicht nehmen, sogleich an seine Seite zu eilen und ihn wie Trauben an einer Rebe zu umschließen. „Geht es dir wieder besser?“, „Was macht der Kopf?“ und „Kannst du dich an alles erinnern?“, flogen ihm entgegen und erst nach einem weiteren Stöhnen hielten wir im Fragenbombardement inne.
Gespannt warteten wir auf seine nächste Reaktion. Diese fiel allerdings anders aus, als wir gedacht hatten. Sein Blick wurde frostig und er glitt zu Darian hinüber. Dabei sprach er leise und sehr artikuliert: „Ich kann mich wieder an alles erinnern. Sogar an Dinge, die nicht von mir sind.“ Er hielt zu einer spannungsgeladenen Pause inne und ließ gut eine Minute verstreichen, ehe er grimmig fortfuhr: „Du bist ein verfluchter Idiot, Darian. Niemand greift ungestraft in das Schicksal eines anderen ein. Gerade du solltest das am Besten wissen. Warum hast du das getan? Meine Zeit war abgelaufen. Es stand dir nicht zu, mir mein Schicksal abzunehmen und mir deinen Willen aufzuzwingen. Es war so nicht geplant.“
Nanu? Dankbarkeit sah irgendwie anders aus. Zumindest bemängelte das mein menschliches Verständnis, wobei mein Instinkt Steven eher beipflichten wollte. Was Darian getan hatte, war ein großes Wagnis gewesen, das sich noch im Nachhinein als falsch heraussteilen konnte. Offenbar
Weitere Kostenlose Bücher