Blut Licht
Verwirrung wuchs, als ich ein unerwartetes Geräusch von Lilith vernahm. Eindeutig, sie lachte. Auch ihre Miene wies Spuren von Erheiterung auf, die beinahe Vergnügen darstellten. Als Darian ebenfalls mit zuckenden Mundwinkeln zu kämpfen begann, war mein Unverständnis komplett. Ich verstand die Welt nicht mehr. Wobei sich das mehr auf mein Gegenüber und Vampire im Allgemeinen bezog, beziehungsweise ganze und halbe Beißer.
„Wenn ich dir oder deinem Kind etwas hätte antun wollen, wäre das längst geschehen“, vernahm ich ihre ruhige Stimme durch das Glas. „Was meinst du, wie oft ich bereits an deinem oder ihrem Bett gestanden und euch beobachtet habe? Unzählige Male. Der menschliche Schlaf ist überaus tief, sterbliche Faye. Insbesondere der deine. So tief, dass ich dein Kind unbemerkt hätte wegtragen können. Nun sei bitte so freundlich und öffne die Tür, denn wäre ich ein Mensch, würde ich die derzeitige Umgebung als für einen Plausch unangemessen erachten.“
Ich war zu verdutzt, um ihrer Bitte nicht nachzukommen. Wie von allein legte sich meine Hand auf die Klinke, drückte sie nieder und zog die Tür auf. Ohne meine ausgesprochene Einladung betrat sie mit hoheitsvollem Nicken das Schlafzimmer, das ich ab heute mit argwöhnischeren Augen betrachten würde.
„Dann war das ein Test?“, fand ich schließlich meine Sprache wieder. „Ein verdammt mieser Test?“
„Den du nicht bestanden hast“, ergänzte die Dame ungerührt, beugte sich zu meinem Kind herunter und strich ihm über die Wange. „Ganz im Gegensatz zu dir, kleine Lady. Du hast mich erstaunt.“
„Dada“, fiel mir meine Tochter, mittels verbaler Bestätigung und obendrein freudig ausgestreckten Armen, zusätzlich in den Rücken. Ich kam mir verraten vor und war gleichzeitig auf irrwitzige Weise froh, dass sie sich zu etwas entwickelte, das mir unter normalen Umständen enorme Kopfschmerzen bereiten würde. Doch derzeit war nichts normal. In keiner Weise.
Mein Blick blieb an meiner Tochter hängen, die mit strahlender Miene ihre Ärmchen in Richtung Lilith ausstreckte. Offenbar wusste sie sehr genau, wen sie vor sich hatte und empfand sogar Freude an deren Anwesenheit. Das war etwas, das mir im Augenblick vollkommen fehlte. Dennoch gab ich dem Drängen meines Kindes nach und übergab sie, wenngleich überaus zögerlich, an die Frau.
Nie zuvor hatte ich Lilith lächeln sehen. Möglicherweise war dies einer der seltenen Momente, der nur sehr wenigen Sterblichen vergönnt war. Doch als ihr porzellanartiges Gesicht nun weich wurde und ihre Augen einen schmelzenden, beinahe liebevollen Ausdruck annahmen, wusste ich, dass meine Tochter niemals etwas von dieser Frau zu befurchten hatte. Eher das Gegenteil schien der Fall zu sein. Ich fühlte instinktiv, dass jeder Angreifer durch Liliths Hand augenblicklich ein bitteres Ende erfahren würde. Ein Ende, dessen Ausmaß ich mir nicht einmal im Ansatz vorstellen wollte und das wahrscheinlich resoluter ausfallen würde, als durch mich oder Darian. „Sie hat deine Augen, Darian“, rissen Liliths Worte mich aus den Gedanken und zerstreut stimmte ich ihr zu: „Hat sie. Und wohl nicht nur das.“
„Oh, sie hat durchaus mehr von ihrem Vater, als du ahnst“, bestätigte sie meine schlimmsten Erwartungen. Ich unterdrückte ein gepeinigtes Stöhnen. Eine leichte Vorahnung war eines, eine Bestätigung etwas völlig anderes.
Liliths Blick erfasste mich und ihre Miene wirkte mir gegenüber so
verschlossen wie immer. „Sie hat von euch beiden die wichtigsten Eigenschaften erhalten. Deine Menschlichkeit mit all ihren Facetten sowie seine Fähigkeiten. Das macht sie so wertvoll für uns.“ „Uns?“, echote ich. „Was genau meinst du damit?“
„Du warst das Gefäß, Faye. Sie aber wird die sein, die alles verändert.“ Lilith lächelte auf Lilianna hinab. „Wenn du groß bist, wirst du den Lauf der Dinge verändern.“
Dann war ich inzwischen also entbehrlich geworden. Na klasse. Wie schön, das nebenbei erfahren zu dürfen.
„Bist du nicht.“ Darians Arm umfasste meine Taille und machte mir klar, dass ich wieder einmal ziemlich laut gedacht hatte. Sanft zog er mich an sich. „Du bist der Lichtstrahl, der ihr die Richtung weist. Immer und überall.“
„Solange sie sich leiten lassen wird. Kinder werden erwachsen“, murmelte ich und lehnte mich an ihn, ohne jedoch mein Kind in Liliths Armen aus den Augen zu lassen.
„Du wirst niemals allein sein“, warf Lilith ein, lächelte
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