Blut Licht
Schreck hin keine ein.
„Keine Sorge, ich weiß, wie es sich jetzt für dich - nein, für mich -anfühlen muss. Ich weiß auch, dass gleich dein Akku schlappmacht. Uns bleibt nicht viel Zeit. Stell keine Fragen, höre einfach nur zu.“
Fassungslos nickte ich in das Telefon, bemerkte es und sprach dann heiser. „Okay. Leg los.“
„Gut.“ Ich spürte deutlich die Erleichterung in meiner Stimme, oder mehr in der meines anderen Ichs. Gleichzeitig hörte ich, wie aufgeregt und erschreckt sie, ich, war. „Prima. Zuerst das Offensichtliche: Gewiss erinnerst du dich an das Loft in Kensington. Dorthin sind wir vor einigen Jahren gezogen, darum steht das Haus leer. Lilianna geht jetzt hier zur Schule.“
„Welches Jahr?“ unterbrach ich mich atemlos und ließ gleichzeitig meine Fantasie arbeiten. Wie würde Lilianna in ein paar Jahren aussehen? Vermutlich würde ich sie nicht wiedererkennen.
„In meiner Zeit ist heute der 21. Oktober 2016. Das spielt aber keine Rolle. Höre zu! Vor kurzem sind alle bei euch eingetroffen. Kahina, Alistair, Dad, ihr seid alle zusammen. Es geht um das verflixte ...“ Mein Akku piepte. Verdammt! Nicht nur ich hier, sondern auch mein Ich in der Zukunft hatte es bemerkt. „Ihr müsst es umgehend fortschaffen. Es bringt Unheil, Faye. Du hast das Foto auf dem Handy. Es wird euch nach Rom führen. Geht...“ Ein erneutes Piepen. Ich funkelte das Mistding böse an. „Faye, es ist wichtig! Bleibt fern. Darian ist deswegen ...“ Ein letztes Piepen, dann riss die Verbindung ab.
Verflixt nochmal! Dieser vermaledeite Akku. Am liebsten hätte ich das Telefon an die Wand geworfen. Doch damit wäre das Foto unwiederbringlich zerstört. Ich steckte es zurück in meine Hosentasche und klopfte zur Sicherheit noch einmal darauf. Dann ließ ich mir die Worte abermals durch den Kopf gehen. Ich seufzte. Obwohl ich einiges hatte erfahren können, wusste ich am Ende doch nichts Konkretes. Nur ein vages Wirrwarr, dessen fehlerhafte Entschlüsselung mit dem Tod meines Akkus einherging. Welches verflixte Ding führte uns nach Rom und was war mit Darian? Tausend Fragen und keine Antwort. Ich war schier begeistert und trat mit entsprechendem Elan einmal kräftig gegen den Tisch. Schließlich sah ich mich ein wenig ratlos um und überlegte weitere Schritte, als mich abermals ein un-angenehm kühler Luftzug im Nacken streifte und meine Härchen schlagartig die Senkrechte aufsuchten. Umgehend signalisierten meine Sinne Gefahr.
Zum Angriff gerüstet, wirbelte ich herum. Gleißende Helligkeit raubte mir kurzzeitig die Sicht. Plötzlich gewahrte ich ein Schemen. Groß, dunkel, wabernd im Licht. Er kam direkt auf mich zu. Lautlos. Bedrohlich. Schnell. Zu schnell für eine Flucht. Rasch riss ich die Arme hoch und versuchte auszuweichen. Zu spät. Etwas packte mich an den Oberarmen und warf mich grob herum. Ich wollte mich wehren, um mich schlagen. Es gelang nicht. Nichts gelang. Meine Hände, meine Füße gehorchten mir nicht. Irgendwie gehorchte mir mein gesamter Körper nicht mehr. Ich öffnete den Mund zu einem Schrei, doch auch der blieb mir versagt. Es war, als würde jeder Laut verschluckt werden. Einmal noch verstärkte sich der Griff um meine Arme, ich fühlte ein Rütteln, dann brach der Boden unter mir weg. Ich knickte in den Knien ein und schrammte mit dem Gesicht an etwas Rauem entlang.
Abermals spürte ich ein Rütteln, zu dem sich ein leichtes Tätscheln meiner Wange gesellte. Dann, endlich, drangen Worte an meine Ohren. Ziemlich laut und eindringlich: „Faye, verdammt. Komm zu dir.“
Kapitel zehn
I ch blinzelte benommen. Der Schemen vor mir wurde klarer und schließlich erkannte ich das besorgte Gesicht meines Bruders vor mir. Nein, nicht vor, sondern über mir. Verstört richtete ich mich auf. „Wieso liege ich auf dem Boden?“
„Entschuldige, meine Schuld.“ Er reichte mir die Hand und half mir auf. „Du hast plötzlich um dich geschlagen, da habe ich instinktiv reagiert.“
Ich starrte ihn ungläubig an. „Indem du mich umhaust?“
„Oho, ganz langsam, Schwesterherz. Ich habe nicht gehauen, ich wollte dich festhalten. Du hast zugelangt. Da, schau!“ Anklagend wies er auf seine linke Gesichtshälfte, wo sich knapp unter dem Auge deutlich ein roter Fleck abzeichnete.
Ihm zuliebe besaß ich den Anstand, betrübt zu wirken. So beugte ich mich vor, pustete heilend über den lädierten Wangenknochen und hauchte einen Kuss darauf. „Nun wird alles wieder gut.“
„Und das wirkt
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