Blut Schatten
Understatement war nicht gerade eine amerikanische Tugend.
»Seht ihr Darian hier irgendwo?«, fragte Dad und blickte sich suchend um.
Einem Impuls folgend wies ich Richtung Ausgang. »Er wartet draußen auf uns.«
»Und anscheinend nicht nur er«, meinte Jason. »Kennt jemand von Ihnen die etwas ungewöhnlich bekleidete junge Dame, die dort drüben mit einem Schild in der Hand steht, auf dem Ihr Name prangt, Miss McNamara?«
Verblüfft sah ich in die gewiesene Richtung. Sie war kleiner, als ich gedacht hatte, und jünger. Vielleicht gerade mal achtzehn Lenze. Ihr Haar war tatsächlich feuerrot und stand wie kurze Stacheln von ihrem Kopf ab. Sie hatte ein ovales Gesicht mit sehr heller Haut, zu der die schwarz umrandeten, kornblumenblauen Augen einen starken Kontrast bildeten. Ihre Statur war ebenfalls recht schmal und in schwarze Kleidung gehüllt. Das Oberteil bestand aus einem zerfetzt wirkenden Netzshirt, unter dem ein schwarzes Top zu sehen war. Dazu trug sie ein schmales Halsband mit Nieten und ein großes Silberkreuz an einem Lederband. Ein breiter Gürtel, dessen silberne Schnalle wie zwei ineinander verschlungene Schlangen aussah, bildete den Übergang zu einem schwarzen, knappen Lederrock, unter dem eine ebenfalls durchlöcherte Netzstrumpfhose zum Vorschein kam. Schwarze Chucks mit weißen Sohlen rundeten das Outfit ab. Einzig das helle Pappschild mit dem in roten Buchstaben geschriebenen Namen McNamara, das sie in ihren mit schwarzem Nagellack verzierten Händen hielt, brachte neben ihren Haaren etwas Farbe ins Spiel.
Ich trat auf sie zu und blieb direkt vor ihr stehen. »Kimberly?«
In aller Ruhe ließ ich ihre Musterung über mich ergehen. Als sie von meinen Fußspitzen zurück in mein Gesicht schaute, ließ sie eine große Kaugummiblase zerplatzen und nickte schließlich. »Yeah. Du musst Faye sein, richtig? Und der Große da ist dann wohl dein Alter.« Ihr Blick blieb kurz an Jason hängen. Sie zog erstaunt die Brauen zusammen und sah mich wieder an. »Den alten Sack willst du echt heiraten?«
»Bitte?« Ich starrte sie erschrocken an, schüttelte dann eifrig den Kopf. »Nein, wo hast du denn das her? Der ältere Herr ist Jason -«
»Und mein Butler, junge Dame«, schnitt Darian mir das Wort ab, trat neben mich und legte mir den Arm um die Taille. Gleichzeitig reichte er Kimberly eine Hand. »Wenn Sie erlauben, dass ich mich vorstelle: Darian Knight. Und somit der zukünftige Gatte dieser bezaubernden Dame.«
»Ah ja.« Kimberly nahm die Hand und schüttelte sie kräftig. Dabei unterzog sie Darian der gleichen Musterung wie mich zuvor. Als sie wieder aufblickte, war eine ihrer Brauen hochgerückt, und sie schnalzte mit dem Kaugummi. »Na gut, damit lässt sich doch schon durchaus was anfangen. Is' allemal besser als das alte Fossil da drüben. Seid ihr jetzt komplett, oder muss ich mit weiteren rechnen? Dann wäre ich nämlich mit 'nem Bus gekommen.«
»Du bist ganz schön vorlaut, Kleine. Warum ist Alistair nicht selbst gekommen?«, kam Dad mir zuvor. Ich verkniff mir eine weitere Bemerkung, denn das wollte ich lieber in Ruhe und außerhalb der Schusslinien betrachten.
»Is' genetisch bedingt. Von nix kommt nix«, antwortete Kimberly nur, stopfte das Pappschild in den Mülleimer neben sich und wandte sich um. »Er kann grad nicht weg und hat mich geschickt, damit ich euch einsammle. Dann mal los, Leute, wir essen zeitig.«
Sie führte uns quer über den Parkplatz, bis sie schließlich vor einem alten, ziemlich klapprig aussehenden dunkelgrünen Van stehen blieb. Sie fischte den Schlüssel aus einer Tasche, wo ich niemals eine vermutet hätte, und schloss den Wagen auf. »Schmeißt die Koffer hinten rein, und dann lasst uns los. Mein Ticket läuft ab. Hat jemand 'nen besonderen Wunsch, muss vorne sitzen, weil er hinten sonst kotzt?«
Hatte nur ich allein das Gefühl, dass sie etwas unerfreut über unsere Anwesenheit war, oder ging es auch den anderen so?
Sie ist nicht nur unerfreut, Faye, sie ist stinksauer deswegen, vernahm ich Darians Stimme in meinen Gedanken und nickte gleichzeitig unbemerkt. Das hatte ich mir gedacht. Und, fuhr er fort, während er die Koffer hinten einlud, sie hält uns für überflüssig. Du könntest dir die Mühe machen und selbst ihren Gedanken lauschen, denn sie schreit förmlich.
»Wenn ich es bei mir nicht mag, Schatz«, säuselte ich ihm liebreizend zu, »werde ich es auch nicht bei anderen anwenden, solange es nicht unbedingt sein muss.«
»Wie du
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