Blut Schatten
Insignien?« Er lachte zynisch. »Wer immer diesen Wichtigtuer erschaffen hat, dem mögen noch heute dafür die Zähne abfaulen.«
Das klang nach einer Privatfehde, ebenso wie bei Darian. Ich machte einen weiteren Strich auf meiner Liste, doch zumindest beruhigte mich Thalions Aussage, weil dieser unfähige Insignienhüter außerhalb Darians und somit auch der genetischen Linie meiner Tochter stand. »Falls du eine Rechnung mit ihm zu begleichen hast, zieh eine Nummer und stell dich hinten an. Ich bin vor dir am Drücker.«
»Wie ich sehe, ist er noch immer sehr talentiert darin, sich Freunde zu machen.« Ein amüsiertes Glucksen erklang. »Du bist ihm also begegnet.«
»Ja, er turnt in New York herum und sorgt für Ärger.«
»Und Ahjarvir ist ebenfalls dort aufgetaucht?«
»Gesehen habe ich ihn persönlich nicht. Aber es gibt Spuren seines Wirkens.«
Thalion sah mich nachdenklich an. »Dann zieht er seine Schlingen allmählich zu. Dahad erwähnte bei unserem Telefonat etwas in dieser Richtung. Allerdings hat er sich nicht gezielt geäußert.«
Weitere Puzzlestücke landeten in meiner geistigen Schublade und fügten sich langsam zu einem Bild zusammen. »Was, glaubst du, will er hier? Warum taucht er jetzt auf?«
»Letavian?«
»Nein, Darians Erschaffer.« Das Wort Vater wollte so gar nicht über meine Lippen kommen.
»Das Kind.« Seine Hände umspannten meine mit festem Griff. »Deine Tochter wurde vor vielen Jahren schon angekündigt. Einige erwarten sie sehnsüchtig, andere fürchten ihre Ankunft. Sie ist das Kind der absoluten Neutralität. Du als ihre Mutter bist von menschlicher Natur, doch sein Vater ist alles, und auch wieder nichts davon. Er steht seit langer Zeit schon zwischen allen Fronten. Und bei allen Fronten meine ich auch alle. Was wird dann von seinem, eurem Kind erwartet werden? Jeder hat seine eigenen Interessen, was dieses Kind betrifft. Und jeder wird auf seine Weise versuchen, Macht auszuüben und es in die Fänge zu bekommen. Vielleicht sogar seine Vernichtung anstreben.«
Mit seinen Worten erhärtete sich mein Verdacht, dass Lilith selbst in diese Richtung plante. »Er war ein Vertrauter von Lilith? Oder ist er es noch?«
»Nein. Soweit mir bekannt ist, beging er an ihr einen Verrat, der ihn fast die Existenz gekostet hätte. Aber aus irgendeinem Grund hat sie ihn verschont.«
Ob ich sie danach fragen sollte, wenn ich ihr wieder begegnete? Meine Neugierde schrie sehr laut Ja, aber meine Vorsicht verneinte vehement. Sich diese Frau zum Feind zu machen kam dem Anzünden einer Zigarette am Schlot eines tosenden Vulkans ziemlich nahe.
Trotzdem wollte ich gewappnet sein, falls ich ihn einmal treffen sollte – was man bitte verhindern möge. »Wie sieht der Mann aus?«
Für einen Moment schloss Thalion die Augen und zog konzentriert die Stirn kraus. Dann, zögerlich, vage, zeichnete er mir aus seinen Erinnerungen ein Bild. »Groß, vielleicht so groß wie Darian. Sehr kräftig. Dunkelhaarig. Inzwischen müsste seine Haut nachgedunkelt sein. Eine Frau würde ihn als markant attraktiv bezeichnen.«
»Diese Beschreibung passt auf viele Männer, Thalion. Hat er ein besonderes Merkmal? Etwas, woran man ihn erkennen kann?«
Thalions Brauen schossen in die Höhe, und seine Augen rissen auf. »Ja. Ja, Kind, das hat er tatsächlich. Quer über seine Brust verläuft eine wulstige, nie verheilende Narbe.«
Eine Narbe, die bei einem so alten Vampir mit den entsprechenden Selbstheilungskräften nie verheilte? Wer konnte eine solche Narbe beifügen?
Thalion hob ahnungslos die Hände. »Manche Antworten kann ich dir einfach nicht geben, Kind. Als ich auf ihn traf, war sie längst vorhanden.«
Das verstand ich durchaus. Zumindest konnte ich mit dieser Information etwas anfangen. Das Schleifen von Stein auf Stein signalisierte, dass unsere Unterhaltung zum Ende kommen musste.
»Eileen kommt und bringt mir meine Nahrung«, meinte Thalion, und ich huschte zurück in eine Ecke, die von der steinernen Treppe aus nicht einzusehen war. Gern hätte ich Eileen begrüßt, wusste aber um die Fragen, die dann aufkommen würden. Das wollte ich mir ersparen, und daher war es sinnvoller, wenn sie nicht wusste, dass ich hier war.
Meine Sorge war unbegründet. Sie betrat Thalions karge Behausung nicht, sie stellte lediglich das Glas zwei Stufen hinab in die Kammer und verschloss sogleich wieder den Eingang, indem sie den Altar zurück in seine Position schob.
»Sie traut mir nicht«, erklärte Thalion
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