Blut Schatten
sich große Mühe, sein Mitwirken zu verschleiern, so große, dass ich ihn nicht fand. Ich habe die Suche schon vor Langem aufgegeben. Sie ist nicht mehr relevant, denn sie ändert nichts an dem, was geschehen ist, was vermutlich geschehen musste. Ohne diese Vergangenheit wäre ich dir niemals begegnet, Faye. Das wiegt alles andere auf.« Ich erhielt einen weiteren Kuss, diesmal jedoch dorthin, wohin er gehörte. Und er schmeckte bittersüß, als er gegen meine Lippen flüsterte: »Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht bereue, was ich einst getan habe. Und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht dankbar dafür bin, dass du bei mir bist. Du bist mein Leben.«
»Hat Lilith etwas damit zu tun?«, fragte ich verhalten.
»Nein, sie war nicht dieser Ältere, falls du daran denkst. Lilith stand und steht noch heute über allen. Sie ist die Erste, die Älteste überhaupt. Mit ihr hat alles begonnen, und ich denke, mit ihr wird alles enden. Aber sie lieh mich während meiner dunklen Zeit manches Mal aus, um für sie gewisse Dinge zu erledigen.« Die angeekelte Mimik, die diese Worte begleitete, ließ mich die Frage nach diesen gewissen Dingen gleich wieder verschlucken. Es gab Dinge, die wollte ich einfach nicht wissen.
Sein leises Lachen machte deutlich, wie laut ich wieder einmal gedacht haben musste. »Sag es nicht«, wies ich mit erhobenem Zeigefinger an. »Ich weiß, ich schreie.«
Schweigend klopfte er sich gegen das Ohr. Ich knuffte ihm leicht mit dem Ellenbogen in die Rippen, woraufhin er zur Gegenattacke überging und mich mit seinen Fingerspitzen in den Seiten kitzelte. Nachdem ich mir die Lachtränen aus den Augenwinkeln gewischt hatte und Darian seine Hände endlich ruhig hielt, lehnte ich mich an ihn und blickte zu ihm auf. »Wer warst du, bevor du verwandelt worden bist?«
Sein Blick umwölkte sich und ein Nebel stieg in seinen graublauen Augen auf. »Ich weiß es nicht, Faye. Es ist komplett ausgelöscht. Als ich erwachte und diesen abnormen Durst verspürte, fühlte ich mich nackt, schutzlos, als hätte ich vorher nicht existiert, wie ein Neugeborenes. Alles war unbekannt und sehr verwirrend. Ich erinnere mich daran, dass ich meine Hände betrachtete und sie mir fremd vorkamen. Sie gehörten nicht zu mir. Nichts von dem, was meinen Körper ausmachte, gehörte zu mir. Es fühlte sich wie eine fremde, beengende Hülle an, in die ich gesteckt worden war. Doch sie war da. Ich spürte Schmerz, ich spürte Hunger, und ich fühlte etwas, was du Angst nennst. Alles war neu. Ich kann es mit Worten kaum beschreiben.« In Erinnerung daran schüttelte er langsam den Kopf. »Dann war da noch etwas anderes. Eine untrennbare Verbindung, die einer absoluten Kontrolle ähnlich meine Gedanken beherrschte. Ich konnte nichts steuern und versuchte mich trotzdem dagegen aufzulehnen. Ich wusste nur, dass ich einen Albtraum durchlebte. Nichts stimmte, alles fühlte sich falsch und verlogen an, trotzdem war es auf einmal real. Und ich befand mich mittendrin.«
Ich fühlte seine Verzweiflung über den Verlust der eigenen Identität körperlich und wünschte, ihm helfen zu können. Doch ich konnte es nicht. Vielleicht konnte es niemand. Mitfühlend strich ich ihm über die Wange. Er fing meine Hand ab und küsste ihre Innenfläche, dann sah er mich aufmunternd an. »Es ist unendlich lange her und heute nicht mehr wichtig, Liebes.«
»Willst du es denn nicht mehr wissen?«
»Irgendwann werde ich es erfahren. Ich habe mehr Zeit, als mir lieb ist«, murmelte er und zwinkerte mir dabei zu. Dann wurde er ernst. »Du bist die Erste, mit der ich jemals darüber gesprochen habe. Und es fühlt sich gut an.«
»Dann lass dich nicht aufhalten. Ich höre zu.« Heute war Kuss-Erntetag. Ich genoss es. Sowohl seine Küsse als auch seine Geständnisse. »Erzähl mir von deinem Erzeuger.«
»Ungern«, gestand er. »Aber du hast ein Recht, mehr über ihn zu erfahren. Du würdest ihn mögen, Faye.« Seine Miene drückte das Gegenteil aus, und ich lachte leise. »Du meinst, so sehr, dass ich an ihm meine selbst gebastelten Pflöcke ausprobieren wollen würde?«
»Am besten alle auf einmal. Ich möchte ihn gern dabei festhalten«, erwiderte Darian finster. »Ich fand heraus, dass er schon vor seiner Verwandlung ein wahrer Tyrann gewesen sein muss, aber als Vampir ist er in seiner Grausamkeit unübertroffen. Er tötet und verwandelt aus Spaß, nicht aus Notwendigkeit. Er tut es, weil er die Macht dazu hat, die er jedem aufs Barbarischste
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