Blut Schatten
dorthin, wo sich in der Dunkelheit ein Gebäude gegen den Nachthimmel abzeichnete.
»Nun denn«, meinte er knapp, ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen und blieb zum Schluss an mir hängen. »Wenn wir schon einmal hier sind, können wir uns eine erneute Herfahrt ersparen. Kahina sagte mir, dass sie Benedict diese Karte zur Aufbewahrung übergeben hatte. Aber das hat sie dir bereits mitgeteilt. Dort drüben ist die Kirche, ein paar hundert Meter entfernt. In ihr liegt der aufgebahrte Leichnam Benedicts und in der Sakristei die Sternenkarte.«
Ich verstand sofort. »Holen?«
Er zwinkerte mich amüsiert an. »Holen.«
»Ich warte hier«, warf Steven ein und wies auf das gedämpft lärmende Paket. »Einer muss ja auf ihn aufpassen.«
»Er gehört mir. Ich werde auf ihn achten«, warf Kahina ein und sah Steven entsprechend hoheitsvoll an. Er zuckte nur mit den Schultern und trat zurück. »Bitte, nur zu. Aber frag mich nicht, wenn's ans Schleppen geht. Du willst ihn, dann trag ihn selbst.« Auf ihr Fingerschnippen hin traten die beiden Wächter vor und hoben Letavian wortlos an. Steven zuckte leicht mit den Brauen.
»Oh. So geht's natürlich auch. Kann ich mitkommen? Ich warte aber trotzdem vor der Gartenpforte.«
»Und ich sage Kim Bescheid, dass sie uns an der Kirche einsammelt.« Alistair zückte sein Handy und drückte die Kurzwahltaste.
»Du hast sie angerufen? Wann?«
Auf das Klingeln lauschend, warf er mir einen ironischen Blick zu. »Gleich nachdem euch der Erdboden verschluckte und wir auf der Suche nach euch gegen Wände liefen. Habe ich es nicht erwähnt? Wie sollten wir sonst zurückkommen?« Seine Hand fuhr hoch und unterband weitere Fragen meinerseits. »Ja, Kim, ich bin's ... Ja, sie sind wieder da ... Frag sie das später. Kannst du uns direkt vor der Kirche der Ortschaft einsammeln? ... Ja. Was? ... Darüber machen wir uns Gedanken, wenn du angekommen bist... Werde ich tun.« Er legte auf und sah Darian und mich an. »Sie lässt euch ausrichten, dass sie euch den Hals umdreht, sobald sie hier ist. Wollen wir?«
Darian ging voran und ließ sich das Handy geben. Er tippte eine lange Nummer ein, wählte und wartete. Es dauerte ein wenig, ehe abgenommen wurde. Mit wenigen Worten ordnete Darian den baldigen Start des Jets an, teilte mit, dass drei Passagiere und ein Paket an Bord sein würden und gab das Ziel Al Basrah im Irak an. Dann legte er auf, warf das Handy zurück zu Alistair und nickte Kahina knapp zu. In diesem Moment beschlich mich ernstlich das Gefühl, dass er wirklich ein Engel war. Wer würde sonst so großzügig Fremden gegenüber sein?
«Das Portal der kleinen Holzkirche dieser knapp Fünftausend-See-len-Gemeinde war nicht verschlossen, sondern nur zugezogen. Zunächst wunderte mich das, dann aber sah ich am Ende des schmalen Mittelgangs den von zwei brennenden Kerzen flankierten Sarg, in dem ein älterer Mann in geistlicher Kleidung aufgebahrt lag. Auf dem steinernen Altar direkt dahinter brannten ebenfalls zwei dicke weiße Altarkerzen, und über allem wachte das allgegenwärtige Kreuz.
Bei unserem Eintreten knarrten die Dielen unter unseren Schritten und wirkten anhand der Stille doppelt so laut wie am Tage. Verlegen schielte ich zu Kahina hinüber, die schräg hinter mir ging und sich neugierig umsah. Da bemerkte ich auf der vorderen Bank eine Bewegung, und kurz darauf erkannte ich zwei Personen in Trauerkleidung. Am Fuße des Sarges, auf der rechten Seite in der hölzernen Sitzreihe, saß eine ältere Frau mit dunklem Kopftuch. Neben ihr erhob sich nun ein älterer Mann, der uns misstrauisch entgegensah. Augenscheinlich hielten sie die Totenwache am Sarg des Paters. Ein altes, nicht mehr sehr verbreitetes Brauchtum.
Mit einer knappen Geste bat Darian uns zu warten und ging allein auf das ältere Paar zu.
»Was ist vorhin eigentlich passiert?«, fragte Alistair verhalten und beugte sich von hinten zu mir vor. Dabei wies er mit dem Kinn auf Darian, der indes sehr gedämpft mit dem älteren Mann sprach. »Er ist anders.«
»Frag ihn am besten selbst«, flüsterte ich zurück. »Wenn es dir jemand erklären kann, dann er.«
»Hm.« Mein Bruder schien wenig überzeugt, doch da Darian uns nun zu sich winkte, war das Gespräch vorerst beendet. Langsam schritten wir den Mittelgang hinunter auf ihn und das Pärchen zu, das uns entspannt und interessiert musterte.
»Sie standen ihm nahe?«, deutete die Frau mein verweintes Gesicht, und ich bemühte mich um ein kleines
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