Blut Schatten
zu.
Zwanzig Meter. Sollte ich ausweichen? Fünfzehn Meter. Würden sie mich entdecken? Panik stieg in mir auf. Mein Herz begann zu rasen. Was, wenn sie mich umrannten? Was, wenn sie mich sahen?
Bleib stehen!
Meine Knie begannen zu zittern. Der Wunsch nach Flucht wurde zwanghaft. Doch der Befehl schien meinen Instinkt zu überlagern. Noch.
Noch zehn Meter. Ich verkrampfte, machte mich zum Sprung bereit. Da baute sich wie aus dem Nichts direkt vor den Flüchtenden eine dritte Gestalt auf. Es kam mir vor, als entstiege sie den Schatten als schwarze, wabernde Nebelschwade, zog sich nur wenige Meter vor mir zusammen und präsentierte sich dort als feste Materie. Groß, breit und verdammt lebendig. Die beiden Flüchtenden rannten direkt in sie hinein. Ich kniff die Augen zu.
Ein grauenhaftes Kreischen erklang, etwas knackte, dann war es schlagartig still. Nicht ein Laut war zu vernehmen. Ich hatte die Luft angehalten, bemerkte es erst jetzt. Nur sehr langsam und sehr leise schöpfte ich wieder Atem. Vorsichtig öffnete ich die Augen, die nebulöse Figur war verschwunden. Fast schon wollte ich mich entspannen, da musste ich an mich halten, um nicht panisch beiseite zu springen oder zu schreien.
Wenige Meter vor mir lagen in merkwürdig verrenkter Haltung zwei Kinder. Sämtliche Farbe wich aus meinem Gesicht, als ich ihre Gesichter erkannte. Es waren die beiden Jungs, die ich noch am Abend zuvor in der Nähe von Alistairs Werkstatt gesehen hatte. Der gebrochene Blick ihrer Augen wies wie in schweigender Anklage zum Himmel hinauf.
Blitzschnell sah ich zurück zum Hügel. Er wirkte verlassen. Keine Spur der Gestalt war mehr zu entdecken. Ein Geräusch zu meiner Linken ließ mich zusammenzucken und zur Salzsäule erstarren.
Ein großer, schlanker Mann trat in mein Blickfeld und blieb vor den Toten stehen. »Perdantes.« Verlierer. Er spie das Wort aus wie einen Fluch, trat mit der Stiefelspitze gegen eine der Leichen und sah dann auf – mir direkt in die Augen, und gleichzeitig durch mich hindurch. Geschockt starrte ich ihn an, hatte ihn schon einmal gesehen. Im einer anderen Vision. Sein Gesicht war elegant, schmal und fast durchscheinend, umrahmt von langem, dunklem Haar. Aristokratische Nasenform, am Ende etwas spitz zulaufend. Darunter schmale, durchaus sinnliche Lippen. Derzeit im Zorn verzogen, entblößten sie die scharfen, spitzen Enden zweier Reißzähne. Ein kantiges, energisches Kinn bildete den Abschluss. Doch am auffälligsten waren seine Augen. Tiefschwarz, bodenlos, leer, und doch gefüllt mit einer unvorstellbaren Kälte und Grausamkeit.
Abrupt fuhr er herum und eilte über die freie Rasenfläche. Dabei hob er einen Arm und rief mit französischen Akzent: « Alors, mes amis. Enttäuscht uns nicht noch einmal.«
Zwei kleine Gestalten traten aus der Dunkelheit hervor und liefen davon. Da löste sich erneut etwas aus dem Schatten, hing wie ein dunkler Schleier kurz über dem Boden und war nach einem Wimpernschlag plötzlich verschwunden. Der Vampir sah sich kurz um und folgte den Gestalten dann mit energischen Schritten.
Bewegungslos wartete ich, bis sie meinem Gesichtsfeld entschwunden waren. Erst dann erlaubte ich mir, erleichtert aufzuatmen. Mein Blick fiel auf die Leichen der Jungs, mit gebrochenem Genick achtlos fortgeworfen. Wer waren sie? Was hatten sie getan, um einen solchen Tod verdient zu haben? Wer tat so etwas? Tränen der Anspannung liefen mir über die Wangen. Langsam sackte ich auf die Knie. Da legte sich eine schwere Hand auf meine Schulter und panisch fuhr ich herum.
P sst, Faye. Ganz ruhig. Alles ist in Ordnung«, vernahm ich seine Stimme. »Du bist bei mir. In Sicherheit.«
»Darian«, flüsterte ich vor Angst halb erstickt und warf mich in seine Arme.
Sanft wie ein Baby schaukelte er mich und flüsterte mir beruhigende Worte zu. Unablässig strich er mir übers Haar, bis ich aufhörte zu zittern.
»Eine Vision, Liebes?«
Ich nickte, wischte mir die Tränen mit dem Shirt ab und schniefte einmal, um die Anspannung zu lösen. Darian wartete geduldig, hielt mich fest umfangen und strich mir weiter übers Haar.
»Erzähl es mir.« Er küsste mich zärtlich auf den Scheitel und schob einige Strähnen aus meinem Gesicht.
Ich sah ihn an, sah die Sorge in seinem Blick, die er zu verbergen versuchte. Sah das Bedauern darin, mir diese Bürde nicht abnehmen zu können. Und sah seine Liebe. So nahm ich seine Hände, legte sie mir an die Schläfen und rief die Bilder ab. Jede noch so
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