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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Sie zu Ihrem Abendessen kommen.‹
    Und sie bestellte mir ein Wahnsinnsabendessen, Dave, aber ich brachte nicht viel runter. Ich musste dauernd daran denken, wie wohl die Rückfahrt werden würde, weil es draußen allmählich dunkel wurde. Dann entschuldigte sie sich plötzlich zwischen zwei Gängen und telefonierte. Als sie zurückkam, fragte sie, ob es mir was ausmachen würde, mit ihrem Flitzer allein nach Castle Rock zurückzufahren. Sie sagte, sie hätte mit einer Frau gesprochen, die im selben Schulkomitee war wie sie, und da wären Probleme aufgetaucht. Sie sagte, sie würde sich bei Hertz einen Mietwagen nehmen, wenn sie nicht mit Worth zurückfahren konnte. ›Macht es Ihnen viel aus, in der Dunkelheit zurückzufahren?‹, fragte sie mich.
    Und dabei sah sie mich lächelnd an, und da wurde mir klar, dass sie sich doch an einiges erinnerte – an wie viel, das weiß der liebe Herrgott, aber sie schien jedenfalls zu glauben, dass ich ihren Weg nach Einbruch der Dunkelheit nicht gern ausprobieren würde, wenn überhaupt … obwohl mir das Leuchten in ihren Augen verriet, dass es ihr gar nichts ausgemacht hätte!
    Ich sagte, dass es mir nichts ausmachen würde, und aß mit größerem Appetit als anfangs weiter. Als wir fertig waren, war es draußen schon fast dunkel, und wir fuhren zum Haus der Frau, die sie angerufen hatte. Und als sie ausstieg, sah sie mich an, und da war wieder dieses Leuchten in ihren Augen, und sie hat mich gefragt: ›Sind Sie sich ganz sicher, Homer, dass Sie nicht warten wollen? Ich habe heute ein paar Nebenstraßen gesehen, und obwohl ich sie auf meinen Karten nicht finden kann, glaube ich, dass man damit ein paar Meilen einsparen könnte.‹
    Ich sag: ›Nun, Missus, ich würd’s ja machen, aber in meinem Alter schläft man am besten im eigenen Bett, hab ich festgestellt. Ich bring Ihr Auto heil zurück … obwohl ich vermutlich ein paar Meilen mehr dazu brauchen werde als Sie.‹
    Sie lachte zärtlich und gab mir einen Kuss. Das war der schönste Kuss meines ganzen Lebens, Dave. Sie küsste mich nur auf die Wange, und es war nur der keusche Kuss einer verheirateten Frau, aber er war so reif wie ein Pfirsich, er war wie diese Blumen, die sich in der Dunkelheit öffnen, und als ihre Lippen meine Haut berührten, fühlte ich mich wie … wie … ich weiß selbst nicht genau wie, weil ein Mann seine Gefühle überhaupt nicht so leicht ausdrücken kann … ich weiß, ich rede um das rum, was ich meine, aber du verstehst mich bestimmt auch so.
    ›Sie sind süß, Homer, und ich liebe Sie, weil Sie mir zugehört haben und mitgefahren sind‹, sagt sie. ›Gute Fahrt.‹
    Dann ging sie in das Haus dieser Frau. Und ich fuhr heim.«
    »Auf welchem Weg?«, fragte ich.
    Er lachte leise vor sich hin. »Auf der Autobahn, du verdammter Narr«, sagte er, und nie zuvor hatte ich in seinem Gesicht so viel Fältchen gesehen.
    Er saß da und sah zum Himmel empor.
    »Dann kam der Sommer, wo sie verschwunden ist. Ich hab sie nur selten gesehen … es war der Sommer, als wir hier das Feuer hatten, wie du vielleicht noch weißt, und dann auch noch den furchtbaren Sturm, bei dem so viel Bäume entwurzelt wurden. Viel zu tun für Hausmeister. Oh, natürlich dachte ich von Zeit zu Zeit an sie und an jenen Tag und an den Kuss, und allmählich kam mir das alles wie ein Traum vor. Wie früher, als ich sechzehn war und nichts anderes im Kopf hatte als Mädchen. Ich war draußen und pflügte George Bascombs westliches Feld, von dem man den tollen Blick aufs Gebirge hinter dem See hat, und ich träumte vor mich hin, was halbwüchsige Jungs halt so träumen. Und ich riss mit der Egge einen Stein aus der Erde, und der bekam einen Riss und blutete. Zumindest sah es so aus, als ob er blutete. Rotes Zeug floss aus dem Felsspalt und sickerte in die Erde. Ich hab nie jemand was davon erzählt, außer meiner Mutter, und auch ihr nicht, welche Bedeutung das für mich hatte oder was mir daraufhin passiert war, obwohl sie es vielleicht gewusst hat, weil sie meine Unterhosen wusch. Jedenfalls schlug sie vor, ich sollte beten. Das hab ich, aber ich bekam nie eine Erleuchtung, und nach einer Weile begann mein Verstand mir einzureden, es wäre nur ein Traum gewesen. So geht’s einem manchmal. Es gibt Löcher in der Mitte, Dave. Weißt du das?«
    »Ja«, sagte ich und dachte an die Nacht, als ich was Komisches gesehen hatte. Das war 1959; ein schlechtes Jahr für uns, aber meine Kinder wussten nicht, dass es ein schlechtes

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