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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ich noch geglaubt, ich wüsste, wo wir waren, und dann hab ich gar nicht mehr darüber nachgedacht. Wir sind ruckzuck auf einen anderen Waldweg gebraust, und dann waren wir plötzlich – ich schwör’s dir – auf einer hübschen gepflasterten Straße mit einem Schild, auf dem MOTORWAY B stand. Hast du schon mal was von einer Straße im Staate Main gehört, die Motorway B heißt?«
    »Nein«, sagte ich. »Hört sich englisch an.«
    »Jawoll. Sie sah auch englisch aus. Bäume wie Weiden hatten die Äste tief auf die Straße runterhängen. ›Hier müssen Sie aufpassen, Homer‹, rief ’Phelia. ›Vor einem Monat hat einer davon mich fast gepackt und versengt.‹
    Ich hatte keine Ahnung, wovon sie redete, und das wollte ich ihr grade sagen, aber dann sah ich, dass die Äste dieser Bäume sich runterneigten – runtergriffen –, obwohl es völlig windstill war. Unter ihrem grünen Filz sahen sie schwarz und nass aus. Ich wollt meinen Augen nicht trauen. Dann riss mir einer die Mütze vom Kopf, und da wusst ich, dass ich das alles nicht träumte. ›He!‹, schrie ich. ›Gib das zurück!‹
    ›Zu spät, Homer‹, sagt sie und lacht. ›Da vorn ist Tageslicht … alles in Ordnung.‹
    Dann kam wieder einer runter, diesmal auf ihrer Seite, und griff nach ihr – ich schwör dir, so war’s wirklich. Sie duckte sich, aber er verfing sich in ihren Haaren und riss ihr eine Strähne aus. ›Au, verdammt, das tut weh! ‹, ruft sie, aber gleichzeitig hat sie auch gelacht. Das Auto schwankte, als sie sich duckte, und ich konnte einen Blick in den Wald werfen, und, heiliger Himmel, Dave! Da drin bewegte sich alles. Gräser winkten, und manche Pflanzen waren so ineinander verschlungen, dass sie Grimassen zu schneiden schienen, und auf einem Baumstumpf konnte ich etwas kauern sehen, das wie eine Baumkröte aussah, nur so groß wie eine ausgewachsene Katze.
    Dann kamen wir auf einem Hügel aus dem Schatten raus, und sie rief: ›Das war aufregend, was?‹, als wenn’s nichts weiter gewesen wär wie ’ne Fahrt mit der Geisterbahn auf dem Jahrmarkt von Fryeburg.
    Etwa fünf Minuten später bogen wir wieder auf einen ihrer Waldwege ab. Ich hatte von Wäldern inzwischen die Schnauze total voll – das kann ich dir sagen –, aber diesmal war’s nur ein ganz normaler Wald mit alten Bäumen. Eine halbe Stunde später fuhren wir auf den Parkplatz von Pilot’s Grille in Bangor. Sie deutete auf den Meilenanzeiger und sagt: ›Werfen Sie einen Blick drauf, Homer!‹ Das tat ich, und er zeigte 111,6 Meilen an. ›Na, glauben Sie jetzt an meine Abkürzungen?‹
    Sie war jetzt wieder ’Phelia Todd. Der wilde Ausdruck war fast aus ihrem Gesicht verschwunden – fast, aber doch nicht ganz. Es war so, als würden zwei Frauen in ihr wohnen, ’Phelia und Diana, und jener Teil von ihr, der Diana war, wurde beim Fahren auf den Nebenstraßen so übermächtig, dass die ’Phelia in ihr keine Ahnung hatte, dass ihre Abkürzung sie durch Gegenden führte, die auf keiner Karte von Maine verzeichnet sind, nicht mal auf topographischen Vermessungsquadraten.
    Sie sagt wieder: ›Nun, was halten Sie von meiner Abkürzung, Homer?‹
    Und ich sagte das Erste, was mir in den Sinn kam, was man normalerweise einer Dame wie ’Phelia Todd gegenüber nicht sagt. ›Ein echter Scheißweg‹, sag ich.
    Sie lachte fröhlich, und da wurde klar: sie erinnerte sich an nichts von dem komischen Zeug. Nicht an die Weidenäste  – nur dass es überhaupt keine Weiden waren, nicht mal so was Ähnliches, obwohl sie so aussahen –, die mir die Mütze vom Kopf gerissen hatten, nicht an das Schild MOTORWAY B oder an das furchtbare krötenartige Wesen. Sie erinnerte sich an nichts von all dem! Entweder hatte ich geträumt, dass das alles da gewesen war, oder sie hatte geträumt, dass es nicht da gewesen war. Hundertprozentig sicher wusste ich nur das eine, Dave: Dass wir nur 111 Meilen gefahren und doch in Bangor angekommen waren; das war kein Hirngespinst – ich konnte es schwarz auf weiß auf dem Tacho ablesen.
    ›So ist es‹, sagt sie. ›Ein echter Schweißweg. Ich wünschte nur, ich könnte Worth dazu bringen, ab und zu mit mir so einen Weg auszuprobieren … aber er ist so im alten Trott festgefahren, dass man vermutlich schon eine Titan-II-Rakete brauchen würde, um ihn auf eine neue Bahn zu bringen. Ich glaub nämlich, dass dieses Festhalten am alten Trott für ihn ein Schutzmechanismus ist, so eine Art Atombunker. Nun, gehen wir rein, Homer, damit

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