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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ich.
    Sie sah mich so eigenartig an, sehr überrascht, und dann lachte sie. ›O ja, wie eine Göttin. Diana passt vielleicht besser als die anderen, weil ich so ein Nachtschwärmer bin – ich bleibe gern so lange auf, bis ich mein Buch ausgelesen habe oder im Fernsehen die Nationalhymne kommt – und auch, weil ich so blass bin wie der Mond – Worth sagt immer, ich brauche ein Stärkungsmittel oder Bluttests oder so einen Unsinn. Aber ich glaube, tief im Herzen will jede Frau eine Art Göttin sein – Männer greifen diesen Wunschtraum dann in entstellter Form auf und versuchen, die Frau auf ein Podest zu stellen – aber das will eine Frau nicht. Eine Frau will frei sein, das ist alles. Sie will stehen, wenn sie Lust dazu hat, oder spazieren gehen …‹ Ihre Blicke schweiften zu dem kleinen Flitzer in der Auffahrt, und ihre Augen wurden schmal. Dann lächelte sie. ›Oder Autofahren, Homer. Ein Mann versteht das nicht. Er glaubt, eine Göttin will irgendwo auf einem Abhang am Fuße des Olymp liegen und Früchte essen, aber das hat nichts Göttliches an sich. Eine Frau will im Prinzip auch nichts anderes als ein Mann – eine Frau will vorankommen. ‹
    ›Seien Sie nur vorsichtig, wohin Sie kommen, Missus‹, sag ich, und sie lachte und küsste mich mitten auf die Stirn.
    Sie sagt: ›Das werde ich, Homer‹, aber es stimmte nicht, und ich wusste es, weil sie es so sagte wie ein Mann, der seiner Frau oder Freundin verspricht, vorsichtig zu sein, obwohl er genau weiß, dass er es nicht sein wird … nicht sein kann.
    Ich ging zu meinem Wagen und winkte ihr noch einmal zu, und eine Woche später meldete Worth sie dann als vermisst. Sie und ihren Flitzer. Worth wartete sieben Jahre, und dann ließ er sie vom Gericht für tot erklären, und dann wartete er anstandshalber noch ein Jahr – das muss ich dem Pisser lassen –, und dann heiratete er die zweite Mrs. Todd, die vorhin vorbeigefahren ist. Und ich erwarte nicht, dass du mir auch nur ein Wort von dieser Geschichte glaubst.«
    Am Himmel bewegte sich eine dieser großen Wolken ein Stückchen und enthüllte den gespenstischen Mond – einen milchig weißen Halbmond. Und bei diesem Anblick krampfte sich mein Herz plötzlich zusammen … halb vor Furcht, halb vor Liebe.
    »Tu ich aber«, sagte ich. »Ich glaube dir jedes einzelne verdammte Wort. Und selbst wenn es nicht wahr ist, Homer  – es sollte einfach wahr sein.«
    Er legte mir den Arm um den Hals, was für Männer die einzige Möglichkeit ist, Zuneigung zu zeigen – weil die Welt sie ja nur Frauen küssen lässt –, und lachte und stand auf.
    »Selbst wenn es nicht sein sollte, ist es doch so«, sagte er. Er holte die Uhr aus der Hosentasche und warf einen Blick darauf. »Ich muss jetzt gehen und bei den Scotts nach dem Rechten sehen. Willst du mitkommen?«
    »Ich glaube, ich bleib noch eine Weile hier sitzen und denke nach«, sagte ich.
    Er ging zur Treppe, drehte sich noch einmal um und sah mich lächelnd an. »Ich glaube, sie hatte recht«, sagte er. »Sie war auf diesen Wegen, die sie entdeckte, ganz anders … nichts hätte gewagt, sie anzurühren. Dich oder mich vielleicht, aber sie nicht.
    Und ich glaube, dass sie jung ist.«
    Dann stieg er in seinen Lieferwagen und fuhr zum Haus der Scotts.
     
    Das war vor zwei Jahren, und in der Zwischenzeit ist Homer, wie ich schon erwähnt habe, nach Vermont gezogen. Eines Abends hat er mich besucht. Sein Haar war ordentlich gekämmt, er war frisch rasiert und duftete nach einem angenehmen Rasierwasser. Sein Gesicht war heiter, die Augen quicklebendig. An dem Abend sah er wie sechzig und nicht wie siebzig aus, und ich freute mich für ihn und beneidete ihn und hasste ihn auch ein bisschen. Arthritis ist ein grässlich großer alter Fischer, und an dem Abend sah Homer nicht aus, als hätte sie schon Angelhaken in seine Hände gebohrt, wie bei meinen.
    »Ich gehe«, sagte er.
    »Ja?«
    »Jawoll.«
    »In Ordnung; hast du dafür gesorgt, dass deine Post nachgeschickt wird?«
    »Ich will sie nicht nachgeschickt«, sagte er. »Meine Rechnungen sind bezahlt. Ich zieh einen glatten Schlussstrich.«
    »Dann gib mir deine Adresse. Ich werde dir hin und wieder schreiben, alter Junge.« Schon spürte ich, wie Einsamkeit mich einhüllte wie ein Mantel … und als ich ihn ansah, wusste ich, dass alles ganz anders war als es zu sein schien.
    »Ich hab noch keine«, sagte er.
    »Schon gut«, sagte ich. »Ist es überhaupt Vermont, Homer?«
    »Nun, für

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