Blut - Skeleton Crew
die ich vor einigen Minuten gesehen hatte. Er stellte sich neben Billy und mich in die Reihe. Ohne Klimaanlage war es im Supermarkt sehr warm, und ich fragte mich, warum nicht einer der Auffüller wenigstens die Türen öffnete. Ich hatte zwei Gänge vorher Buddy Eagleton gesehen, der in seiner roten Schürze herumstand und sich die Zeit mit Nichtstun vertrieb. Der Generator dröhnte monoton. Ich verspürte ein leichtes Kopfweh.
»Legen Sie Ihr Zeug in den Wagen, bevor etwas runterfällt«, sagte ich.
»Danke.«
Die Schlange reichte jetzt bis hinter die Tiefkühlgerichte; die Leute mussten sich durchzwängen, um an die Truhen heranzukommen, und es herrschte ein fortwährendes »’tschuldigung« und »Darf ich mal«.
»Scheißdreckswarterei«, sagte Norton verdrossen, und ich runzelte die Stirn. Ich mag es nicht, wenn Billy solche Ausdrücke zu hören bekommt.
Das Dröhnen des Generators wurde etwas gedämpfter, als die Schlange sich vorwärtsbewegte. Norton und ich plauderten oberflächlich miteinander; wir vermieden es, unseren hässlichen Grenzstreit auch nur mit einem Wort zu erwähnen und unterhielten uns über Nebensächlichkeiten wie die Chancen der Red Sox und das Wetter. Schließlich war aber unser kleiner Vorrat an unverfänglichen Themen erschöpft, und wir verfielen in Schweigen. Billy zappelte neben mir herum. Die Schlange kroch vorwärts. Jetzt standen wir zwischen Tiefkühlmenüs zur Rechten und den teureren Weinen und Sekten zur Linken. Als wir dann zu den billigeren Weinen vorrückten, spielte ich kurz mit dem Gedanken, eine Flasche Ripple mitzunehmen, den Wein meiner feurigen Jugend. Ich tat es dann aber doch nicht. So feurig war meine Jugend doch nicht gewesen.
»Mein Gott, warum können sie sich nicht beeilen, Dad?«, fragte Billy. Er hatte immer noch diesen bedrückten Gesichtsausdruck, und plötzlich riss der Nebel des Unbehagens, der mich einhüllte, kurz auf, und dahinter tauchte etwas Schreckliches auf – das grelle und metallene Gesicht des Entsetzens. Dann war es vorüber.
»Nimm’s leicht, Billy«, sagte ich.
Wir waren bis zu den Brotregalen vorgerückt – bis zu der Stelle, wo die Doppelreihe nach links abbog. Jetzt konnten wir schon die Kassen sehen, die beiden offenen und die vier geschlossenen, auf deren Transportbändern ein kleines Schild mit der Aufschrift BITTE AN EINER ANDEREN KASSE ANSTELLEN und WINSTON stand. Ein Stück weit hinter den Kassen war das große, unterteilte Schaufenster, das auf den Parkplatz und die Kreuzung der Straßen 117 und 302 hinausging. Der Ausblick war allerdings beeinträchtigt durch die weißen Rückseiten der Plakate, auf denen Reklame für die Sonderangebote und das neueste Werbeangebot – eine Bücherkassette mit dem Titel The Mother Nature Encyclopedia – gemacht wurde. Wir befanden uns in der Schlange, an deren Kasse Bud Brown stand. Immer noch waren etwa dreißig Leute vor uns. Am leichtesten war Mrs. Carmody in ihrem grellgelben Hosenanzug zu erkennen. Sie sah wie eine Reklame für Gelbfieber aus.
Plötzlich ertönte in der Ferne ein kreischendes Geräusch. Es wurde rasch lauter, und kurz darauf konnte man erkennen, dass es eine Polizeisirene war. Eine Hupe lärmte an der Kreuzung, Bremsen quietschten, und ich konnte nichts sehen – mein Blickwinkel ging in die entgegengesetzte Richtung –, aber die Sirene erreichte ihre größte Lautstärke, während das Polizeiauto am Supermarkt vorbeiraste; dann wurde sie langsam wieder schwächer. Ein paar Leute verließen die Schlange, um nachzuschauen, was los war, aber nicht viele. Sie hatten so lange gewartet, dass sie nicht das Risiko eingehen wollten, ihren Platz zu verlieren. Norton ging; seine Einkäufe lagen in meinem Wagen. Nach kurzer Zeit kam er zurück und stellte sich wieder in die Schlange. »Nichts Wichtiges«, bemerkte er.
Dann begann die städtische Feuersirene zu heulen, schwoll langsam zu einem lauten Getöse an, wurde schwächer, schwoll wieder an. Billy griff nach meiner Hand – umklammerte sie. »Was ist los, Daddy?«, fragte er und sofort danach: »Ist mit Mama alles in Ordnung?«
»Auf der Kansas Road muss es irgendwo brennen«, meinte Norton. »Diese verdammten Stromleitungen, die der Sturm heruntergerissen hat! Die Feuerwehr wird sicher gleich vorbeirasen.«
Jetzt hatte ich wenigstens einen konkreten Grund für mein Unbehagen. Auf unserem Hof lagen auch Stromleitungen.
Bud Brown sagte etwas zu der Kassiererin, die er überwachte; sie hatte sich fast den
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