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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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darauf fallen. »Irgendwas im Nebel hat John Lee gepackt, und ich hörte ihn schreien!«
    Die Situation änderte sich schlagartig. Nervös geworden vom Sturm, von den Polizei- und Feuerwehrsirenen, von der leichten Verwirrung, die jeder Stromausfall in der Psyche von Amerikanern bewirkt, und von der Atmosphäre zunehmenden Unbehagens, als alles sich irgendwie … irgendwie veränderte (ich weiß nicht, wie ich es besser ausdrücken könnte) – von all dem in Nervosität gesetzt, gerieten die Leute in Bewegung.
    Nicht etwa dass sie davongestürzt wären. Wenn ich das sagen würde, bekämen Sie einen ganz falschen Eindruck. Es war keine eigentliche Panik. Die Leute rannten nicht – zumindest die meisten. Aber sie setzten sich in Bewegung. Manche gingen nur ans große Schaufenster hinter den Kassen, um hinauszuschauen. Andere gingen durch die Eingangstür hinaus, wobei einige die Produkte mitnahmen, die sie gerade in der Hand gehabt hatten. Bud Brown begann beunruhigt zu brüllen: »He! Sie haben das noch nicht bezahlt! He, Sie! Kommen Sie sofort mit diesen Hotdogbrötchen zurück!«
    Jemand lachte über ihn – ein irres Jodeln, über das andere Leute schmunzeln mussten. Aber selbst während sie schmunzelten, sahen sie verwirrt, bestürzt und nervös aus. Dann lachte noch jemand, und Brown wurde rot. Er entriss einer Frau, die sich an ihm vorbeidrängte, um aus dem Fenster zu schauen – an den Glasscheiben scharten sich jetzt die Menschen, wie Leute, die durch Zaunlöcher eine Großbaustelle bestaunen – einen Karton Champignons, und die Frau kreischte: »Geben Sie mir meine Champis zurück!« Diese bizarre Verkleinerungsform entlockte zwei in der Nähe stehenden Männern irres Gelächter  – und plötzlich war es wie im alten englischen Irrenhaus Bedlam. Mrs. Carmody trompetete wieder, man solle nicht hinausgehen. Die Feuersirene heulte atemlos wie eine kräftige alte Frau, die einen Vagabunden im Haus entdeckt hat. Und Billy brach in Tränen aus.
    »Daddy, was ist mit dem blutigen Mann? Warum blutet der Mann?«
    »Es ist weiter nichts, Big Bill, es ist nur seine Nase, ihm fehlt nichts.«
    »Was meinte er mit seinem »irgendwas im Nebel«?«, fragte Norton. Er legte gewichtig die Stirn in Falten, was bei ihm vermutlich Verwirrung ausdrücken sollte.
    »Daddy, ich hab Angst«, schluchzte Billy unter Tränen. »Können wir bitte heimfahren?«
    Jemand drängte sich brutal an mir vorbei und stieß mich fast um. Ich nahm Billy auf den Arm. Auch ich bekam allmählich Angst. Die Verwirrung im Supermarkt wurde immer größer. Sally, die Kassiererin von Bud Brown, sprang auf und wollte davonlaufen. Er hielt sie am Kragen ihres roten Kittels fest. Die Naht ging auf. Mit verzerrtem Gesicht schlug sie nach ihm. »Nehmen Sie Ihre verdammten Pfoten von mir!«, kreischte sie.
    »Halt die Klappe, du kleines Luder!«, rief Brown, aber er machte einen total perplexen Eindruck.
    Er griff wieder nach ihr, und Ollie Weeks sagte scharf: »Bud! Beruhige dich!«
    Jemand schrie. Bis dahin hatte keine eigentliche Panik geherrscht, aber nun drohte eine auszubrechen. Durch beide Türen strömten Leute ins Freie. Dann klirrte Glas, etwas zerschellte, und Coke ergoss sich über den Fußboden.
    »Was in aller Welt ist das nur?«, rief Norton.
    In diesem Augenblick begann es dunkler zu werden … aber nein, das ist nicht ganz richtig. Ich dachte damals nicht, dass es dunkel würde, sondern dass die Lampen im Supermarkt ausgegangen seien. Ich blickte automatisch zur Decke empor, und ich war nicht der Einzige. Und im ersten Moment schien mir das die Erklärung dafür zu sein, dass die Lichtverhältnisse sich verändert hatten. Dann fiel mir wieder ein, dass die Lampen die ganze Zeit über wegen des Stromausfalls nicht gebrannt hatten, und trotzdem war es vorhin nicht so dunkel gewesen. Da wusste ich Bescheid, noch bevor die Leute am Schaufenster zu schreien und zu gestikulieren begannen.
    Der Nebel kam.
     
    Er kam von der Kansas Road her auf den Parkplatz zu, und sogar ganz aus der Nähe sah er nicht anders aus als vor einigen Stunden, als wir ihn zum ersten Mal gesehen hatten, auf der anderen Seite des Sees. Er war weiß und grell, aber er reflektierte nicht. Er bewegte sich schnell, und er hatte die Sonne fast ganz verhüllt. Wo sie soeben noch gewesen war, sah man jetzt nur noch eine Silbermünze am Himmel, wie ein Vollmond im Winter hinter einer dünnen Wolkenschicht.
    Er kam schnell, aber träge. Es erinnerte mich an die Wasserhose

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