Blut - Skeleton Crew
Hals verrenkt, um zu sehen, was los war. Sie errötete und machte sich wieder an die Arbeit.
Ich wollte nicht in dieser Schlange stehen. Ganz plötzlich überfiel mich das heftige Verlangen, sie zu verlassen. Aber sie bewegte sich wieder vorwärts, und es wäre töricht gewesen, jetzt zu gehen. Wir waren immerhin schon bei den Zigarettenkartons angelangt.
Jemand stieß die Eingangstür auf, irgendein Teenager. Ich glaube, es war der Bursche, der uns vorhin mit seiner Yamaha beinahe gerammt hatte, der Bursche ohne Sturzhelm. »Der Nebel!«, schrie er. »Ihr müsstet mal den Nebel sehen! Er kommt direkt die Kansas Road rauf!« Alle schauten sich nach ihm um. Er keuchte, als wäre er eine weite Strecke gerannt. Niemand sagte etwas. »Ihr müsstet ihn mal sehen!«, wiederholte er, aber diesmal klang es so, als wollte er sich verteidigen. Die Leute starrten ihn an, und einige machten ein, zwei zögernde Schritte, aber niemand wollte seinen Platz in der Schlange aufs Spiel setzen. Nur ein paar Leute, die sich noch nicht eingereiht hatten, ließen ihre Einkaufswagen stehen und strebten dem Ausgang zu, um mit eigenen Augen zu sehen, wovon der Bursche redete. Ein großer Mann mit einem Sommerhut mit Paisleyband (die Art Hut, die man fast nie zu sehen bekommt, außer in Werbespots für Bier und den Gartengrillfesten, wo sie gedreht werden), riss die Ausgangstür auf, und einige Leute – zehn oder zwölf – gingen mit ihm hinaus. Der Teenager schloss sich ihnen an.
»Lasst nicht die ganze kühle Luft raus!«, rief einer der Soldaten, und ein paar Leute lachten. Ich lachte nicht. Ich hatte gesehen, wie der Nebel über den See gekommen war.
»Billy, warum gehst du nicht raus und schaust es dir an?«, sagte Norton.
»Nein«, sagte ich sofort, ohne konkreten Grund.
Wieder bewegte sich die Schlange vorwärts. Manche Leute verrenkten sich die Hälse und hielten Ausschau nach dem Nebel, von dem der Bursche gesprochen hatte, aber außer strahlend blauem Himmel war nichts zu sehen. Jemand meinte, dass der Junge sich vermutlich einen Scherz erlaubt hatte. Jemand andres erwiderte, er hätte vor weniger als einer Stunde eine merkwürdige Nebelwand über dem Long Lake gesehen. Die erste Sirene heulte und kreischte. Das gefiel mir nicht. Es hörte sich an, als würde der rasende Weltuntergang näher kommen.
Weitere Leute gingen hinaus. Einige verließen sogar ihre Plätze in der Schlange, wodurch wir etwas aufrückten. Dann stürzte der mürrische alte John Lee Frovin, der in der Texaco-Tankstelle als Mechaniker arbeitet, in den Supermarkt und brüllte: »He! Hat jemand ’ne Kamera?« Er blickte fragend in die Runde und stürzte wieder hinaus.
Schlagartig wuchs das Interesse am Nebel. Wenn es sich lohnte, ein Foto davon zu machen, musste es sehenswert sein.
Plötzlich schrie Mrs. Carmody mit ihrer heiseren, aber kräftigen alten Stimme: »Geht nicht hinaus!«
Die Leute drehten sich nach ihr um. Die ordentlichen Reihen lösten sich zunehmend auf: Manche Kunden eilten hinaus, um einen Blick auf den Nebel zu werfen, andere zogen sich von Mrs. Carmody zurück oder liefen umher und suchten nach ihren Freunden. Eine hübsche junge Frau in preiselbeerfarbenem Sweatshirt und dunkelgrüner Hose betrachtete Mrs. Carmody nachdenklich und abschätzend. Einige Opportunisten nützten die Situation aus, um ein paar Plätze vorzurücken. Die Kassiererin neben Bud Brown verrenkte sich wieder den Hals, und Brown tippte ihr mit dem Zeigefinger auf die Schulter. »Konzentrieren Sie sich auf Ihre Arbeit, Sally.«
»Geht nicht hinaus!«, schrie Mrs. Carmody. »Dort lauert der Tod! Ich fühle, dass dort draußen der Tod lauert!«
Bud und Ollie Weeks, die sie gut kannten, sahen nur ungeduldig und verärgert aus, aber alle Sommerurlauber in ihrer Nähe wichen vor ihr zurück, ohne Rücksicht auf ihre Plätze in der Schlange. Penner in Großstädten scheinen dieselbe Wirkung auf die Leute zu haben, als könnten sie eine ansteckende Krankheit übertragen. Wer weiß? Vielleicht können sie das tatsächlich.
Von nun an überschlugen sich die Ereignisse. Ein Mann stieß die Eingangstür auf und taumelte in den Supermarkt. Seine Nase blutete. »Irgendwas im Nebel!«, schrie er, und Billy presste sich an mich – ich weiß nicht, ob die blutende Nase des Mannes oder seine Worte ihn so ängstigten. »Irgendwas im Nebel! Irgendwas im Nebel hat John Lee gepackt! Irgendwas …« Er stolperte auf die Säcke mit Rasendünger am Fenster zu und ließ sich
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