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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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anzuschwellen, so als würde sie sich aufblähen.
    Ein Teenager versetzte ihr plötzlich einen heftigen Stoß, und sie setzte sich mit einem überraschten Grunzen auf die Säcke. »Hör auf, so was zu sagen, du alte Hexe! Hör auf mit diesem verdammten Blödsinn!«
    »Bitte!«, brüllte Norton. »Wenn wir nur kurze Zeit warten, bis der Nebel abzieht und wir wieder etwas sehen können …«
    Ein Durcheinander verschiedener Meinungen wurde nach seinen Worten laut.
    »Er hat recht«, schrie ich, so laut ich konnte, um den Lärm zu übertönen. »Wir müssen nur versuchen, Ruhe zu bewahren.«
    »Ich glaube, das war ein Erdbeben«, bemerkte ein Mann mit Brille zaghaft. Seine Stimme war sanft.
    In einer Hand hielt er eine Packung Hamburger und eine Tüte Brötchen. An der anderen Hand hatte er ein kleines Mädchen, das etwa ein Jahr jünger als Billy sein mochte. »Ich glaube wirklich, dass es ein Erdbeben war.«
    »Vor vier Jahren hatten sie drüben in Naples eines«, ließ sich ein fetter ortsansässiger Mann vernehmen.
    »Das war in Casco«, widersprach seine Frau sofort. Ihre Stimme hatte den autoritären Klang einer Frau, die große Erfahrung im Widersprechen hat.
    »Naples«, sagte der dicke Einheimische nicht mehr so überzeugt.
    »Casco«, sagte die Frau resolut, und er gab auf.
    Irgendwo fiel eine Dose, die bei dem Puff, Erdbeben oder was immer es gewesen sein mochte, an den Rand ihres Regals gerutscht war, mit einem verspäteten Klappern zu Boden. Billy brach in Tränen aus. »Ich will nach Hause! Ich will zu meiner MUTTER!«
    »Können Sie dieses Kind nicht zum Schweigen bringen?«, fragte Bud Brown. Seine Augen schweiften rasch aber ziellos von Ort zu Ort.
    »Soll ich dir die Zähne einschlagen, Großmaul?«, fragte ich ihn.
    »Hören Sie auf, David, das hilft uns nicht weiter«, sagte Norton zerstreut.
    »Es tut mir leid«, rief die Frau von vorhin wieder. »Es tut mir leid, aber ich kann nicht hierbleiben. Ich muss nach Hause, ich muss nach meinen Kindern sehen.«
    Sie blickte in die Runde, eine blonde Frau mit einem müden hübschen Gesicht.
    »Wissen Sie, Wanda passt auf den kleinen Victor auf. Wanda ist erst acht, und manchmal vergisst sie … vergisst sie, dass sie … na ja, auf ihn aufpassen soll, wissen Sie. Und der kleine Victor … er stellt so gern die Herdplatten an, um das rote Lämpchen aufleuchten zu sehen … ihm gefällt dieses Lämpchen so sehr … und manchmal zieht er die Stecker raus … der kleine Victor … und Wanda … sie bekommt es nach einer Weile satt, auf ihn aufzupassen … sie ist erst acht …« Sie verstummte und blickte uns nur noch an. Ich stelle mir vor, dass wir auf sie in diesem Augenblick überhaupt nicht den Eindruck menschlicher Wesen gemacht haben. Sie sah nur unsere erbarmungslosen Augen, eine lange Reihe erbarmungsloser Augenpaare. »Will mir denn niemand helfen?«, schrie sie. Ihre Lippen begannen zu zittern. »Will … will denn niemand hier eine Frau nach Hause begleiten?«
    Niemand antwortete ihr. Die Leute traten von einem Bein aufs andere. Sie sah jedem von uns mit ihrem gequälten Blick ins Gesicht. Der fette Ortsansässige machte zögernd einen halben Schritt vorwärts, aber seine Frau packte ihn am Handgelenk und riss ihn mit einem Ruck zurück, so als hätte sie ihm Handschellen angelegt.
    »Sie?«, fragte die blonde Frau Ollie. Er schüttelte den Kopf. »Sie?«, wandte sie sich an Bud. Er legte seine Hand auf den Taschenrechner an der Kasse und gab genauso wenig eine Antwort. »Sie?«, fragte sie Norton, und Norton begann mit seiner trainierten Anwaltsstimme etwas daherzureden, dass niemand überstürzt hinausgehen solle und … und sie wandte sich von ihm ab, und Norton verstummte.
    »Sie?«, fragte sie mich, und ich hob Billy wieder hoch und hielt ihn wie einen Schutzschild in den Armen, um ihr schrecklich vorwurfsvolles Gesicht abzuwehren.
    »Ich hoffe, dass ihr alle in der Hölle schmort«, sagte sie. Sie schrie es nicht. Ihre Stimme klang zu Tode erschöpft. Sie ging zur Ausgangstür und zog sie mit beiden Händen auf. Ich wollte ihr irgendetwas sagen, sie zurückrufen, aber mein Mund war viel zu trocken.
    »Äh, meine Dame, hören Sie doch …«, begann der Teenager, der Mrs. Carmody angebrüllt hatte. Er hielt sie am Arm fest. Sie blickte auf seine Hand hinab, und er ließ sie beschämt los. Sie schlüpfte in den Nebel hinaus. Wir sahen sie weggehen, und niemand sagte ein Wort. Wir beobachteten, wie der Nebel sie einhüllte und

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