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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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in den Nebel rannte, sondern hineingerissen wurde, wobei er die Arme hochwarf wie in größter Überraschung.
    Einen Augenblick herrschte völliges Schweigen im Supermarkt.
    Plötzlich schimmerte eine Konstellation von Monden von draußen herein. Die Lampen auf dem Parkplatz, die zweifellos von unterirdischen Stromkabeln versorgt wurden, waren angegangen.
    »Geht nicht hinaus!«, sagte Mrs. Carmody mit ihrer besten Aasgeierstimme. »Dort draußen lauert der Tod.«
    Auf einmal schien niemand mehr Lust zu haben, zu streiten oder zu lachen.
    Wieder ertönte draußen ein Schrei, aber diesmal gedämpft, wie aus großer Entfernung. Billy presste sich wieder eng an mich.
    »David, was geht da vor?«, fragte Ollie Weeks. Er hatte seinen Standort verlassen. Dicke Schweißperlen rannen ihm über das runde freundliche Gesicht. »Was ist das nur?«
    »Hol mich der Henker, wenn ich auch nur die geringste Ahnung habe!«, sagte ich. Ollie sah sehr beunruhigt aus. Er war Junggeselle, wohnte in einem hübschen kleinen Haus am Highland Lake und trank gern etwas in der Bar in Pleasant Mountain. Am plumpen kleinen Finger der linken Hand trug er einen Saphirring. Im Februar des Vorjahres hatte er in der Staatslotterie etwas Geld gewonnen. Davon hatte er den Ring gekauft. Ich hatte immer das Gefühl, als hätte Ollie etwas Angst vor Mädchen.
    »Ich kapier das nicht«, murmelte er.
    »Ich auch nicht. Billy, ich muss dich absetzen. Ich werde deine Hand halten, aber du brichst mir sonst noch die Arme, okay?«
    »Mami …«, flüsterte er.
    »Sie ist okay«, sagte ich, nur um etwas zu sagen.
    Der Mummelgreis, der den Gebrauchtwarenladen in der Nähe von Jon’s Restaurant betreibt, in den alten Sweater gehüllt, den er das ganze Jahr über trägt, ging an uns vorbei. Er sagte laut: »Es ist eine Giftgaswolke. Die Fabriken in Rumford und South Paris. Chemikalien.« Damit schlurfte er den vierten Gang hoch, an Patentarzneimitteln und Toilettenpapier vorbei.
    »Lassen Sie uns von hier verschwinden, David«, sagte Norton ohne jede Überzeugungskraft. »Was würden Sie davon halten, wenn wir …«
    Ein dröhnendes dumpfes Beben … Ich spürte es am meisten in den Füßen, so als hätte sich das ganze Gebäude mit einem Schlag um einen Meter gesenkt. Mehrere Leute schrien vor Angst und Überraschung auf. Flaschen klirrten, fielen von den Regalen und zerschellten auf den Bodenfliesen. Ein Stück Glas, das die Form eines Keils hatte, fiel aus einem der Segmente des großen Schaufensters, und ich sah, dass die Holzrahmen, die die schweren Glasscheiben hielten und miteinander verbanden, an mehreren Stellen verbogen und zersplittert waren.
    Die Feuersirene verstummte abrupt.
    Die nun folgende Stille war die gespannte Stille von Menschen, die auf etwas anderes, auf mehr warteten. Ich war wie gelähmt, und mein Verstand stellte eine merkwürdige Assoziation mit der Vergangenheit her: Damals, als Bridgton kaum mehr als eine Kreuzung war, pflegte mein Vater mich hierher mitzunehmen. Er stand am Tresen und unterhielt sich, während ich durch die Glasscheibe auf die billigen Bonbons und Kaugummis starrte. Es war Januar und Tauwetter. Kein Laut war zu hören außer dem Tropfen von Schmelzwasser, das von der Dachrinne in die Regenfässer zu beiden Seiten des Ladens tropfte. Ich betrachtete Plombenzieher, Lakritze und Lutscher. Die geheimnisvollen gelben Kugellampen an der Decke, die riesige Schatten von Bataillonen von toten Fliegen vom vergangenen Sommer warfen. Ein kleiner Junge namens David Drayton mit seinem Vater, dem berühmten Künstler Andrew Drayton, dessen Gemälde Christine Standing Alone im Weißen Haus hing. Ein kleiner Junge namens David Drayton, der die Bonbons und die Davy-Crockett-Kaugummikärtchen betrachtete und einen leichten Druck auf der Blase verspürte. Und draußen der dichte, wogende, gelbe Nebel des Januartauwetters.
    Die Erinnerung verblasste, aber sehr langsam.
    »Leute!«, rief Norton laut. »Leute, alle mal herhören!«
    Sie drehten sich nach ihm um. Norton hielt beide Hände hoch, die Finger gespreizt wie ein politischer Kandidat, der gerade Ehrungen entgegennimmt.
    »Es könnte gefährlich sein hinauszugehen!«, rief er.
    »Warum?«, schrie eine Frau zurück. »Meine Kinder sind allein zu Hause! Ich muss zu meinen Kindern!«
    »Dort draußen lauert der Tod!«, ertönte wieder Mrs. Carmodys scharfe Stimme. Sie stand neben den Viertelzentnersäcken mit Dünger, die am Fenster aufgestapelt waren, und ihr Gesicht schien

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