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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Nacht beschloss ich, Manhattan zu verlassen. Meine Familie besaß ein altes Haus in der Adirondacks, wohin ich gehen konnte; das sagte mir zu. Das einzige, was mich noch in New York hielt, war Reg Thorpes Kurzgeschichte. Wenn ›Die Ballade von der flexiblen Kugel‹ Regs Rettungsring in einem Meer von Wahnsinn war, so war sie auch meiner – ich wollte sie bei einer guten Zeitschrift unterbringen. Sobald mir das gelungen war, konnte ich verduften.
    Das war der Stand der nicht-so-berühmten Wilson – Thorpe-Korrespondenz, bevor die Kacke am Dampfen war. Wir gleichen zwei sterbenden Drogensüchtigen, die die relativen Vorteile von Heroin und Narkotika verglichen. Reg hatte Fornits in der Schreibmaschine, ich hatte Fornits in den Wänden, und beide hatten wir Fornits in den Köpfen.
    Und da waren SIE. Sie dürfen SIE nicht vergessen. Ich war noch nicht lange mit Thorpes Geschichte hausieren gegangen, als ich zu dem Schluss kam, dass zu IHNEN sämtliche Kurzgeschichtenredakteure aller Magazine New Yorks gehörten – nicht dass es im Herbst 1969 besonders viele gewesen wären. Wenn man sie ein bisschen zusammengedrückt hätte, hätte man die ganze Bande mit einer Schrotpatrone erledigen können, und ich kam bald zur Überzeugung, dass das nicht die schlechteste Idee war.
    Es dauerte etwa fünf Jahre, bis ich es aus ihrer Perspektive sehen konnte. Ich hatte den Hausmeister erschreckt, und er war ein Mann, der mich nur zu Gesicht bekam, wenn die Heizung nicht funktionierte oder es Zeit für das Weihnachtstrinkgeld war. Diese Redakteure hingegen … nun, die Ironie lag darin, dass viele von ihnen wirklich meine Freunde waren. Jared Baker war damals Assistent des Belletristikredakteurs von Esquire, und Jared und ich hatten im Zweiten Weltkrieg beispielsweise in derselben Schützenkompanie gedient. Diesen alten Freunden war nicht nur etwas mulmig zumute, wenn sie den neuen Henry Wilson sahen. Sie waren entsetzt. Wenn ich ihnen die Geschichte einfach mit ein paar netten Zeilen geschickt und die Situation – jedenfalls meine Version – geschildert hätte, wäre es mir wahrscheinlich auf Anhieb gelungen, Thorpes Geschichte zu verkaufen. Aber nein, das war nicht gut genug. Nicht für diese Geschichte. Ich wollte dafür sorgen, dass sie persönlich behandelt wurde. Also ging ich damit von Tür zu Tür, ein stinkender grauer Exredakteur mit zittrigen Händen, roten Augen und einem großen blauen Fleck auf dem linken Wangenknochen  – ich war zwei Nächte zuvor auf dem Weg zum Klo in der Dunkelheit gegen die Badezimmertür gerannt. Ich hätte mir genauso gut ein Schild umhängen können: REIF FÜR DIE KLAPSMÜHLE.
    Außerdem wollte ich mit den Typen nicht in ihren Büros reden. Tatsächlich konnte ich es nicht. Die Zeit war längst vorbei, als ich einfach in einen Aufzug steigen und vierzig Stockwerke hochfahren konnte. Also traf ich mich mit ihnen wie Dealer mit Süchtigen – in Parks, auf Treppen oder im Falle von Jared Baker in einem Burger Heaven in der Forty-ninth Street. Jared zumindest hätte mich mit Freuden zu einem anständigen Essen eingeladen, aber auch die Zeit war vorbei, da ein Chefkellner, der etwas auf sich hielt, mich nicht ohne weiteres in ein Restaurant eingelassen hatte, in dem Geschäftsleute verkehrten.«
    Der Agent zuckte zusammen.
    »Ich erhielt halbherzige Zusagen, die Geschichte zu lesen, gefolgt von unausweichlichen Fragen, wie es mir ging, wie viel ich trank. Ich erinnere mich – dunkel –, dass ich einigen zu erklärten versuchte, wie Elektrizität und Strahlung das Denkvermögen der Menschen versauten, und als Andy Rivers, der Literaturredakteur von American Crossings andeutete, dass ich Hilfe brauchte, sagte ich ihm, er wäre derjenige, der Hilfe brauchte.
    ›Sehen Sie die Leute dort draußen auf der Straße?‹, sagte ich. Wir standen im Washington Square Park. ›Die Hälfte, vielleicht sogar drei Viertel, haben Gehirntumore. Ich würde Ihnen Thorpes Geschichte sowieso nicht verkaufen, Andy. Verdammt, Sie könnten sie in dieser Stadt sowieso nicht verstehen. Ihr Gehirn ist auf dem elektrischen Stuhl, und Sie wissen es nicht einmal.‹
    Ich hatte eine Kopie der Geschichte in der Hand, zusammengerollt wie eine Zeitung. Damit schlug ich ihm auf die Nase, wie man einen Hund schlägt, der in die Ecke gepinkelt hat. Dann ging ich. Er rief, ich sollte zurückkommen, wir könnten eine Tasse Kaffee trinken und noch einmal darüber reden, und dann kam ich an einem Schallplattengeschäft

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