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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Gesundung wirklich widerrufen haben wollten, wie einer von ihnen sich ausgedrückt hat: ›Dies ist der einzige Teil Ihrer Geschichte, der nicht einfach als Trugschluss entlarvt werden kann … das heißt, nachdem Ihr Sinn für Logik wieder funktioniert.‹ Schließlich widerrief ich wirklich, weil ich wusste, – wenn auch sie nicht –, dass es mir besser ging und ich um jeden Preis aus dem Sanatorium entlassen werden sollte. Ich glaubte, ich würde wieder total verrückt werden, wenn ich nicht schleunigst rauskam. Also widerrief ich – wie Galilei, als sie seine Füße ans Feuer hielten –, aber in meinem Innern habe ich nie widerrufen. Ich behaupte nicht, dass das, was ich jetzt erzählen werde, tatsächlich passiert ist; ich sage nur, ich glaube immer noch, dass es passiert ist. Das ist eine kleine Einschränkung, aber für mich ist sie entscheidend.
    Und nun, meine Freunde, das Unerklärliche:
    Die nächsten zwei Tage verbrachte ich damit, meinen Umzug vorzubereiten. Übrigens machte mir der Gedanke, Autofahren zu müssen, überhaupt nichts aus. Als Junge hatte ich gelesen, dass ein Auto bei Gewitter zu den sichersten Orten gehört, weil die Gummireifen eine fast perfekte Isolierung sind. Ich freute mich sogar richtiggehend darauf, in meinen alten Chevrolet zu steigen, alle Fenster hochzukurbeln und die Stadt, die für mich zum Inferno geworden war, zu verlassen. Trotzdem gehörte es unter anderem zu meinen Vorbereitungen, die Glühbirne der Innenbeleuchtung herauszuschrauben, die Fassung mit Packpapier zu überkleben und den Scheinwerferknopf ganz nach links zu drehen, um das Licht am Armaturenbrett auszuschalten.
    Als ich an diesem letzten Abend, den ich in meiner Wohnung zu verbringen gedachte, nach Hause kam, war sie bis auf den Küchentisch, das Bett und meine Schreibmaschine im Arbeitszimmer leer. Die Schreibmaschine stand auf dem Boden. Ich hatte nicht die Absicht, sie mitzunehmen  – sie weckte zu viel negative Assoziationen, und außerdem klebten die Typen für alle Zeiten. Sollte mein Nachmieter sie ruhig haben, dachte ich – sie und Bellis dazu.
    Die Sonne ging gerade unter, und das Zimmer war in ein eigenartiges Licht getaucht. Ich war ziemlich betrunken, und in meiner Manteltasche hatte ich eine weitere Flasche gegen Schlaflosigkeit. Ich wollte gerade durchs Arbeitszimmer ins Schlafzimmer gehen, glaube ich. Mich aufs Bett setzen, um über Kabel und Elektrizität und freie Strahlung nachzudenken und zu trinken, bis ich betrunken genug zum Einschlafen war.
    Was ich als Arbeitszimmer bezeichnete, war eigentlich das Wohnzimmer. Ich hatte es zum Arbeitszimmer gemacht, weil es das beste Licht in der Wohnung hatte – ein großes Westfenster, von wo man freie Sicht bis zum Horizont hatte. Das ist in Manhattan in einer Wohnung im vierten Stock fast so etwas wie das biblische Wunder der Speisung der fünftausend, aber der Ausblick war da. Ich hinterfragte ihn nicht, ich genoss ihn einfach. Das Zimmer war sogar an regnerischen Tagen von einem klaren, wunderschönen Licht erfüllt.
    Aber an diesem Abend war das Licht unheimlich. Der Sonnenuntergang hatte das Zimmer mit roter Glut überzogen. Schmelzofen-Licht. Leer wirkte der Raum zu groß. Meine Schritte erzeugten tonlose Echos auf dem Hartholzboden.
    Die Schreibmaschine stand etwa in der Mitte des Bodens, und als ich daran vorbeigehen wollte, sah ich, dass ein Papierfetzen eingespannt war – das erschreckte mich, denn ich wusste, dass kein Papier in der Schreibmaschine gewesen war, als ich zum letzten Mal weggegangen war, um die neue Flasche zu kaufen.
    Ich sah mich um und überlegte, ob jemand – ein Eindringling  – bei mir in der Wohnung war. Nur dachte ich nicht an Eindringlinge oder Diebe oder Junkies, ich dachte … an Gespenster.
    Links von der Schlafzimmertür sah ich an der Wand eine unregelmäßige kahle Stelle. Nun verstand ich wenigstens, woher das Papier in der Schreibmaschine stammte. Jemand hatte einfach einen Fetzen von der alten Tapete abgerissen.
    Ich sah noch hin, als ich hinter mir plötzlich ein leises, aber deutliches Geräusch – klack! – hörte. Ich zuckte zusammen, wirbelte herum, und mein Herz klopfte wild. Ich war entsetzt, wusste aber trotzdem sofort, was dieses Geräusch war – daran konnte kein Zweifel bestehen. Wenn man sein Leben lang mit dem Wort arbeitet, erkennt man das Geräusch eines Schreibmaschinenanschlags auf Papier sogar in einem leeren Zimmer bei einbrechender Dämmerung, wenn niemand da ist,

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