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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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von Aldens langer Unterwäsche. Der Bund der Unterhose ging ihr bis zu den schlaffen Brüsten, das Unterhemd fast bis zu den Knien.
    Draußen kam wieder stärkerer Wind auf, und im Radio wurde für den Nachmittag Schneefall angesagt. Sie zog ihren Mantel und ihre Handschuhe an. Nach kurzer Überlegung zog sie darüber noch ein Paar von Aldens Handschuhen. Alden hatte sich von der Grippe erholt, und an diesem Vormittag waren er und Harley Blood drüben bei Missy Bowie, um eine Wintertür wieder einzuhängen. Missy hatte ein Mädchen zur Welt gebracht. Stella hatte es gesehen, und das arme kleine Würmchen hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit seinem toten Vater.
    Stella stand einen Augenblick am Fenster und blickte auf die Meerenge hinab, und dort war Bill, wie sie schon vermutet hatte; er stand etwa auf halbem Weg zwischen Insel und Festland, stand auf dem Wasser wie Jesus und winkte ihr zu, und mit seinem Winken schien er ihr sagen zu wollen, dass es höchste Zeit war, wenn sie die Absicht hatte, noch in diesem Leben einen Fuß aufs Festland zu setzen.
    »Wenn du unbedingt willst, Bill«, murmelte sie in der Stille. »Weiß Gott, ich will es nicht.«
    Aber der Wind sprach andere Worte. Sie wollte. Sie wollte dieses Abenteuer erleben. Es war ein schmerzhafter Winter für sie gewesen – die Arthritis, die sich von Zeit zu Zeit bemerkbar machte, hatte sie mit besonderer Heftigkeit überfallen und ihre Finger- und Kniegelenke mit rotem Feuer und blauem Eis gemartert. Ein Auge war trüb geworden, sodass sie damit nur noch verschwommen sehen konnte (und ausgerechnet am nächsten Tag hatte Sarah – mit einigem Unbehagen – festgestellt, dass ihr Feuermal, das sie seit ihrem sechzigsten Lebensjahr hatte, plötzlich sprungartig größer zu werden schien). Am schlimmsten war aber, dass die heftigen Magenschmerzen wieder eingesetzt hatten, und vor zwei Tagen war sie um fünf Uhr morgens aufgestanden, über den kalten Fußboden ins Bad gewankt und hatte einen großen Klumpen hellrotes Blut in die Toilette gespuckt. Und an diesem Morgen hatte sich der Vorfall wiederholt. Das Blut war ekelhaft und stank nach Fäule.
    Die Magenschmerzen waren in den letzten fünf Jahren gekommen und gegangen, manchmal schwächer, manchmal heftiger, und sie hatte fast von Anfang an gewusst, dass es nur Krebs sein konnte. Er hatte ihre Mutter und ihren Vater dahingerafft, und ebenso auch den Vater ihrer Mutter. Keiner von ihnen war älter als siebzig geworden, und sie vermutete, dass sie die Statistiken, die die Leute von der Versicherung führten, um Längen geschlagen hatte.
    »Du isst wie ein Scheunendrescher«, hatte Alden grinsend gesagt, nachdem die Schmerzen begonnen und sie zum ersten Mal Blut im Morgenstuhl bemerkt hatte. »Weißt du denn nicht, dass alte Leute wie du angeblich nur noch wenig Appetit haben?«
    »Halt den Mund, oder es setzt was!«, hatte Stella geantwortet und gegen ihren grauhaarigen Sohn die Hand erhoben, der sich zum Spaß geduckt und gerufen hatte: »Nicht, Ma! Ich nehm’s ja zurück!«
    Ja, sie hatte herzhaft gegessen, nicht weil sie so viel Appetit hatte, sondern weil sie glaubte (wie viele Menschen ihrer Generation), dass der Krebs sie in Ruhe lassen würde, wenn sie ihn gut fütterte. Und vielleicht funktionierte das tatsächlich, zumindest eine Weile; das Blut in ihrem Stuhl kam und ging, und manchmal war lange Zeit überhaupt keines zu sehen. Alden gewöhnte sich daran, dass sie meistens eine zweite Portion aß (und auch eine dritte, wenn die Schmerzen besonders schlimm waren), aber sie nahm nicht ein Gramm zu.
    Jetzt schien der Krebs aber schließlich doch dahin vorgedrungen zu sein, was die Franzosen pièce de résistance nennen.
    Sie ging zur Tür und sah an einem der Holznägel im Flur Aldens Mütze hängen, die mit den pelzgefütterten Ohrklappen. Sie setzte sie auf – der Schirm rutschte ihr bis zu den buschigen, einstmals dunklen Augenbrauen und blickte sich dann ein letztes Mal um. Sie wollte sich vergewissern, dass sie nichts vergessen hatte. Im Ofen brannte ein schwaches Feuer, und Alden hatte die Abzugsklappe wieder zu weit geöffnet – sie hatte es ihm unzählige Male erklärt, aber er vergaß es immer wieder.
    »Alden, du wirst jeden Winter einen Viertelklafter Holz mehr verbrauchen, wenn ich nicht mehr da bin«, murmelte sie und öffnete die Ofentür. Sie warf einen Blick hinein und stieß einen leisen entsetzten Schrei aus. Sie warf die Ofentür zu und stellte mit zitternden Fingern

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