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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Traum, antwortete ihre Stimme ihrer Stimme: Liebst du? Der Wind heulte und rüttelte am Sturmfenster. Es kam ihr so vor, als würde das Winterfenster zu ihr sprechen, aber sie wandte ihr Gesicht ab. Und weinte nicht.
     
    »Aber, Oma«, hätte Lona sie vielleicht weiter bedrängt (sie gab nie auf, Lona nicht; darin glich sie ihrer Mutter und ihrer Großmutter). »Du hast uns immer noch nicht erklärt, warum du nie die Meerenge überquert hast.«
    »Nun, mein Kind, ich hatte immer alles, was ich wollte, hier auf Goat Island.«
    »Aber die Insel ist doch so klein. Wir wohnen in Portland. Dort gibt’s Busse, Oma!«
    »Ich sehe im Fernsehen zur Genüge, was in den großen Städten los ist. Nein, ich bleibe, wo ich bin.«
    Hal war jünger, aber einfühlsamer. Er hätte sie nicht so bedrängt wie seine Schwester, aber seine Frage wäre näher an den Kern der Sache herangekommen. »Wolltest du nie rübergehen, Oma? Nie?«
    Und dann hätte sie sich vorgebeugt und seine kleinen Hände in die ihren genommen und ihm erzählt, wie ihre Eltern kurz nach der Hochzeit auf die Insel gekommen waren, und wie Bull Symes’ Großvater Stellas Vater als Lehrling auf sein Boot genommen hatte. Sie hätte ihm erzählt, dass ihre Mutter viermal schwanger gewesen war, aber einmal davon eine Fehlgeburt gehabt hatte; ein zweites Baby war eine Woche nach seiner Geburt gestorben – ihre Mutter hätte die Insel verlassen, wenn man das Kind im Krankenhaus auf dem Festland hätte retten können, aber bevor ihr dieser Gedanke überhaupt kam, war schon alles vorbei.
    Sie hätte den Kindern erzählt, dass sich Bill bei ihrer Großmutter Jane als Geburtshelfer betätigt hatte, aber sie hätte ihnen verschwiegen, dass er hinterher ins Badezimmer gegangen war und sich zuerst übergeben und dann geweint hatte wie eine hysterische Frau, die besonders starke Menstruationsbeschwerden hat. Jane hatte dann natürlich schon mit vierzehn die Insel zum ersten Mal verlassen, um auf dem Festland die Highschool zu besuchen; damals heirateten die Mädchen nicht mehr mit vierzehn und als Jane mit dem Boot abgefahren war – in jenem Monat war Bradley Maxwell an der Reihe gewesen, die Kinder zum Festland und zurück auf die Insel zu bringen –, hatte Stella schon tief im Herzen gewusst, dass ihre Tochter zwar noch eine Zeit lang zurückkommen, dann aber die Insel für immer verlassen würde. Sie hätte den Kindern erzählt, dass Alden zehn Jahre nach Jane auf die Welt gekommen war, als Bill und sie die Hoffnung schon aufgegeben hatten, und als wollte er seine verspätete Ankunft wettmachen, lebte Alden immer noch; er war Junggeselle geblieben, und in mancher Hinsicht war Stella froh darüber, denn Alden war nicht der Hellste, und es gab schließlich genügend Frauen, die einen Mann mit schwerfälligem Verstand und weichem Herzen nur ausnützen wollten (natürlich hätte sie das den Kindern auch nicht erzählt).
    Aber sie hätte sagen können: »Louis und Margaret Godlin zeugten Stella Godlin, die Stella Flanders wurde; Bill und Stella Flanders zeugten Jane und Alden Flanders, und Jane Flanders wurde Jane Wakefield; Richard und Jane Wakefield zeugten Lois Wakefield, die Lois Perrault wurde; David und Lois Perrault zeugten Lona und Hal. Das sind eure Namen, Kinder: Ihr seid Godlin-Flanders-Wakefield-Perraults. Auch ihr habt diese steinige Insel im Blut, und ich bleibe hier, weil das Festland unerreichbar weit entfernt ist. Ja, ich liebe; jedenfalls habe ich geliebt oder zumindest versucht zu lieben, aber die Erinnerungen sind so weit und so tief, und ich kann nicht auf die andere Seite gelangen. Godlin-Flanders-Wakefield-Perrault …
     
    Es war der kälteste Februar, seit der Nationale Wetterdienst Aufzeichnungen über die Temperaturen machte, und Mitte des Monats war das Eis auf der Meerenge einbruchsicher. Schneemobile summten und heulten und kippten um, wenn sie die Eisberge nicht richtig anfuhren. Kinder versuchten, Schlittschuh zu laufen, stellten aber fest, dass das Eis dazu viel zu holprig war und kehrten zum Godlin’s Pond auf der anderen Hügelseite zurück, doch erst nachdem der kleine Justin McCracken, der Sohn des Pfarrers, mit seinem Schlittschuh in eine Eisspalte geraten war und sich den Knöchel gebrochen hatte. Er wurde ins Krankenhaus auf dem Festland gebracht, wo ein Arzt, der eine Corvette besaß, zu ihm sagte: »Kleiner, es ist bald wieder so gut wie neu.«
    Freddy Dinsmore starb ganz plötzlich drei Tage nach Justin McCrackens Knöchelbruch.

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