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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und trat langsam und bösartig von einer Klaue auf die andere. Es war ein dummes Geschöpf, dessen bin ich mir ganz sicher. Zweimal versuchte es, die Flügel zu spreizen, die gegen die Wände stießen und sich dann über den krummen Rücken falteten wie die Schwingen eines Greifs. Beim dritten Versuch verlor es das Gleichgewicht und fiel plump herab, wobei es immer noch versuchte, die Flügel auszubreiten. Es landete auf Tom Smalleys Rücken. Eine Bewegung mit der Klaue, und Toms Hemd zerriss. Blut begann zu fließen.
    Ich stand höchstens einen Meter entfernt. Von meiner Fackel tropfte die Anzünderflüssigkeit. Ich war fest entschlossen, es zu töten, wenn ich konnte … und dann stellte ich fest, dass ich keine Streichhölzer hatte, um sie in Brand zu setzen. Ich hatte das letzte vor einer Stunde verbraucht, um eine Zigarre für Mr. McVey anzuzünden.
    Inzwischen war die Hölle los. Die Leute sahen das Geschöpf auf Smalleys Rücken sitzen – so etwas hatte noch niemand auf der Welt gesehen. Es schnellte mit seinem Kopf wie fragend vor und riss ein Stück Fleisch aus Smalleys Nacken heraus.
    Ich hatte gerade beschlossen, die Fackel als Knüppel zu benutzen, als ihr mit Stoff umwickeltes Ende plötzlich hell aufloderte. Dan Miller war da, hielt ein Zippo-Feuerzeug mit Marineemblem. Sein Gesicht wirkte vor Entsetzen und Wut hart wie Granit.
    »Töten Sie es«, sagte er heiser. »Töten Sie es, wenn Sie können!« Neben ihm stand Ollie. Er hielt Mrs. Dumfries’ Achtunddreißiger in der Hand, hatte aber keinen günstigen Schusswinkel.
    Das Ding breitete die Flügel aus und schlug einmal damit – offensichtlich nicht, um davonzufliegen, sondern um seine Beute besser in den Griff zu bekommen –, dann hüllten die ledrig-weißen Membranflügel Smalleys ganzen Oberkörper ein. Und dann kamen die Geräusche – tödlich reißende Geräusche, die in allen Einzelheiten zu schildern ich nicht ertragen kann.
    Das alles ereignete sich in Sekundenschnelle. Dann schleuderte ich meine Fackel nach dem Ding. Ich hatte das Gefühl, etwas zu stoßen, das nicht mehr Substanz hatte als ein Papierdrachen. Im nächsten Moment loderte die ganze Kreatur. Sie stieß einen kreischenden Schrei aus und spreizte die Flügel; der Kopf schwang hin und her, sie rollte mit den rötlichen Augen, und ich hoffe aufrichtig, dass sie große Qualen litt. Dann flog es auf und verursachte dabei ein Geräusch wie Betttücher aus Leinen, die in einer steifen Frühlingsbrise an der Wäscheleine flattern. Wieder stieß es dieses heisere Kreischen aus.
    Köpfe wurden gehoben, um seinen flammenden Todesflug zu verfolgen. Ich glaube, dass nichts sich meinem Gedächtnis so stark eingeprägt hat wie dieses vogelartige Geschöpf, das lichterloh brennend im Zickzackkurs über die Regale des Supermarktes hinwegflog und hier und da verkohlte, rauchende Stücke seiner selbst verlor. Schließlich stürzte es in die Spaghettisaucen und verspritzte Ragú und Prince und Prima Salsa überall wie Blutlachen. Es war kaum mehr als Asche und Knochen. Der Brandgeruch war übelkeiterregend. Und den Kontrapunkt dazu bildete der dünne, beißende Geruch des Nebels, der durch das Loch in der Fensterscheibe herandrang.
    Einen Augenblick herrschte völlige Stille. Wir waren vereint in unserer schwarzen Verblüffung über diesen lichterloh lodernden Todesflug. Dann heulte jemand. Andere schrien. Und von irgendwo weiter hinten konnte ich meinen Sohn weinen hören.
    Eine Hand packte mich. Es war Bud Brown. Seine Augen traten fast aus den Höhlen. Die Lippen waren zurückgezogen und entblößten seine Zahnprothese. »Eines der anderen Biester!«, rief er und deutete darauf.
    Eines der Insekten war durch das Loch hereingeflogen und saß nun auf einem Düngersack, wo seine Hausfliegenflügel surrten – man konnte sie hören, es klang wie ein billiger Heizlüfter – und die Augen an den Stielen hervorquellen. Der rosafarbene, ungewöhnlich plumpe Körper aspirierte rasch.
    Ich ging darauf zu. Meine Fackel flackerte, war aber noch nicht ganz erloschen. Mrs. Reppler, die Lehrerin der dritten Klasse, kam mir zuvor. Sie war fünfundfünfzig oder sechzig und spindeldürr. Ihr Körper sah zäh und vertrocknet aus und erinnerte mich immer an Pökelfleisch.
    Sie hielt in der Hand eine Dose Raid-Insektenvernichtungsspray wie ein irrer Revolvermann in einer existentialistischen Komödie. Sie stieß ein zorniges Knurren aus, das jedem Höhlenbewohner zur Ehre gereicht hätte, der einem

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