Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
schwanger, und ich setzte mich hin und redete mir ins Gewissen. Das Ergebnis dieses Selbstgesprächs war die Überzeugung, dass ernsthafte Kunst für mich immer ein Hobby sein würde, nicht mehr.
    Ich entwarf Werbeplakate für Golden-Girl-Shampoo – das, wo das Girl rittlings auf seinem Fahrrad sitzt; das, wo es am Strand Frisbee spielt; das, wo es mit einem Drink in der Hand auf dem Balkon seiner Wohnung steht. Ich habe für die meisten großen Zeitschriften Kurzgeschichten illustriert, nachdem ich anfangs flotte Zeichnungen für Storys in billigeren Männermagazinen angefertigt hatte. Ich habe auch einige Filmplakate entworfen. Das Geld fließt. Wir können uns ganz gut über Wasser halten.
    Letzten Sommer hatte ich meine letzte Ausstellung in Bridgton. Ich präsentierte neun Bilder, die ich in fünf Jahren gemalt hatte, und ich verkaufte sechs davon. Das eine, das ich absolut nicht verkaufen wollte, stellte – ein merkwürdiger Zufall! – den Federal-Foods-Supermarkt dar, und zwar vom Ende des Parkplatzes aus gesehen. Auf meinem Bild war der Parkplatz leer, abgesehen von einer Reihe Campbell’s Bohnen und Franks Dosen, jede größer als die vorhergehende in Richtung des Betrachters. Die letzte schien zweieinhalb Meter hoch zu sein. Das Bild trug den Titel Bohnen und falsche Perspektive . Ein Mann aus Kalifornien, Direktor einer Gesellschaft, die Tennisbälle und Schläger und sonstige Sportartikel herstellt, wollte dieses Bild unbedingt haben und konnte sich nicht mit dem Kärtchen »unverkäuflich« abfinden, das am linken unteren Rand des Rahmens angebracht war. Er begann mit sechshundert Dollar und steigerte sein Angebot bis viertausend. Er sagte, er wolle es für sein Arbeitszimmer haben. Ich lehnte ab, und er zog betrübt von dannen. Trotzdem gab er nicht auf, er hinterließ seine Karte, für den Fall, dass ich es mir noch anders überlegen sollte.
    Ich hätte das Geld gut gebrauchen können – in jenem Jahr erweiterten wir unser Haus um einen Anbau und legten uns ein neues Auto zu – aber ich konnte es einfach nicht verkaufen. Ich konnte es nicht verkaufen, weil ich fühlte, dass es das beste Gemälde war, das ich je geschaffen hatte, und ich wollte es mir anschauen können, wenn mich jemand wieder einmal mit völlig unbewusster Grausamkeit fragen sollte, wann ich endlich einmal etwas Ernsthaftes malen würde.
    Dann zeigte ich es eines Tages im letzten Herbst Ollie Weeks. Er bat mich, es fotografieren zu dürfen, um es eine Woche lang als Werbeplakat zu verwenden. Und das war das Ende meiner persönlichen falschen Perspektive. Ollie hatte mein Bild völlig richtig eingeschätzt, und dadurch zwang er auch mich, es endlich als das zu sehen, was es wirklich war – ein perfektes Exemplar kommerzieller Kunst. Nicht mehr. Und, Gott sei Dank, nicht weniger.
    Ich ließ ihn das Foto machen, und dann rief ich den Direktor in San Luis Obispo an und sagte ihm, er könne das Bild für 2500 haben, wenn er es noch wollte. Er wollte es, und ich ließ es ihm mit UPS zukommen. Und seitdem ist die Stimme enttäuschter Hoffnungen – die Stimme des betrogenen Kindes, die sich nie mit einem so gemäßigten Lob wie »gut« zufriedengeben kann – weitgehend verstummt. Und abgesehen von einigen wenigen leisen Schreien – vergleichbar den Geräuschen, die jene unbekannten Wesen da draußen im Nebel ausstießen – hat sie mich seitdem nicht weiter belästigt. Vielleicht können Sie mir erklären, warum das Verstummen dieser kindischen fordernden Stimme so viel Ähnlichkeit mit dem Sterben hat.
     
    Gegen vier Uhr wachte Billy auf – halbwegs – und schaute verwirrt und fassungslos um sich. »Sind wir immer noch hier?«
    »Ja, Liebling«, sagte ich. »Sind wir.«
    Er begann, mit einer schwachen Hilflosigkeit zu weinen, die schrecklich war. Amanda erwachte und schaute zu uns.
    »Hallo, Kleiner«, sagte sie und zog ihn sanft an sich. »Alles wird ein bisschen besser aussehen, wenn es erst einmal hell wird.«
    »Nein«, schluchzte Billy. »Nein, wird es nicht. Wird es nicht. Wird es nicht.«
    »Schscht«, sagte sie. Unsere Blicke trafen sich über seinem Kopf. »Schscht, schlaf weiter.«
    »Ich will zu meiner Mutter.«
    »Ja«, sagte Amanda. »Natürlich willst du das.«
    Billy drehte sich auf ihrem Schoß um, bis er mich sehen konnte. Eine Zeit lang wandte er keinen Blick von mir. Dann schlief er wieder ein.
    »Danke«, sagte ich. »Er brauchte Sie.«
    »Er kennt mich nicht einmal.«
    »Das spielt keine

Weitere Kostenlose Bücher