Blut - Skeleton Crew
Wäscheleine benutzt, die der Mann mit der Golfmütze mir erlaubt hatte, um seine Taille zu binden. Die Schlingen hatten sich tief in ihre Hälse eingedrückt, und ich fragte mich wieder, was die beiden zu diesem verzweifelten Schritt getrieben haben mochte. Ich wusste genau, was Ollie meinte, wenn er sagte, dass die Nachricht von dem Doppelselbstmord für die Leute alles noch schlimmer machen würde. Für mich war es bereits schlimmer geworden – und ich hätte das eigentlich nicht mehr für möglich gehalten.
Es gab ein schnappendes Geräusch. Ollie hatte sein Taschenmesser aufgeklappt, ein gutes stabiles Werkzeug, das zum Aufschlitzen der Kartons gedacht war. Und natürlich zum Stricke durchschneiden.
»Sie oder ich?«, fragte er.
Ich schluckte. »Jeder einen.«
Wir erledigten es.
Als ich zurückkam, war Amanda verschwunden, und Mrs. Turman war bei Billy. Beide schliefen. Ich schlenderte einen der Gänge entlang, und eine Stimme sagte: »Mr. Drayton. David.« Es war Amanda, die an der Treppe zum Büro des Geschäftsführers stand. Ihre Augen glichen Smaragden. »Was war los?«
»Nichts«, antwortete ich.
Sie trat auf mich zu. Ich nahm einen schwachen Parfümduft wahr. Und, oh, wie sehr ich sie begehrte. »Sie Lügner!«, sagte sie.
»Es war nichts. Falscher Alarm.«
»Wenn Sie so wollen.« Sie nahm meine Hand. »Ich war gerade oben im Büro. Es ist leer, und die Tür lässt sich abschließen.« Ihr Gesicht war ganz ruhig, aber ihre Augen funkelten, fast wild, und ihr Puls schlug rasch an ihrem Hals.
»Ich verstehe nicht …«
»Ich habe gesehen, wie Sie mich angeschaut haben«, sagte sie. »Wenn wir erst lange darüber diskutieren müssen, hat es keinen Sinn. Diese Turman passt auf Ihren Sohn auf.«
»Ja.« Ich überlegte mir, dass dies eine Möglichkeit war – vielleicht nicht die beste, aber dennoch eine Möglichkeit –, den Fluch von dem zu nehmen, was Ollie und ich gerade getan hatten. Nicht die beste Möglichkeit – aber die einzige.
Wir gingen die schmale Treppe hinauf ins Büro. Es war leer, wie sie gesagt hatte. Und es war ein Schloss an der Tür. Ich schloss ab. In der Dunkelheit war sie nicht mehr als ein Umriss. Ich streckte meine Arme aus, berührte sie und zog sie an mich. Sie zitterte. Wir knieten uns auf den Boden, küssten uns, und ich wölbte meine Hand um ihre straffe Brust und fühlte ihren raschen Herzschlag durch ihr Sweatshirt. Ich dachte an Steffy, die Billy ermahnt hatte, die Stromleitungen nicht zu berühren. Ich dachte an den blauen Fleck auf ihrer Hüfte, als sie in unserer Hochzeitsnacht das braune Kleid ausgezogen hatte. Ich dachte an das erste Mal, als ich sie gesehen hatte – sie war über die Promenade der University of Maine in Orono geradelt, und ich war mit meiner Mappe unter dem Arm unterwegs zu einem von Vincent Hartgens Seminaren gewesen. Ich bekam eine gewaltige Erektion.
Wir legten uns hin, und Amanda flüsterte: »Liebe mich, David. Wärme mich.« Als es ihr kam, grub sie ihre Nägel in meinen Rücken und stammelte einen Namen, der nicht der meine war. Es machte mir nichts aus. Dadurch waren wir quitt.
Als wir wieder hinunterkamen, war eine Art kriechende Dämmerung angebrochen. Die Schwärze vor den Gucklöchern ging widerwillig in ein dumpfes Grau über, dann in die Farbe von Chrom und zuletzt in jenes grelle, konturenlose und unreflektierende Weiß einer Autokinoleinwand. Mike Hatlen schlief auf einem Klappstuhl, den er sich irgendwo organisiert hatte. Dan Miller saß etwas weiter entfernt auf dem Boden und aß einen Hostess-Krapfen. Die mit Puderzucker bestäubt sind.
»Setzen Sie sich, Mr. Drayton«, lud er mich ein.
Ich sah mich nach Amanda um, aber sie hatte sich schon ein ganzes Stück entfernt. Sie sah nicht zurück. Unser Liebesakt im Dunkeln schien schon jetzt etwas aus einem Hirngespinst zu sein, an das ich selbst in diesem fahlen Tageslicht nicht mehr glauben konnte. Ich setzte mich.
»Essen Sie einen Krapfen.« Er hielt mir die Schachtel hin.
Ich schüttelte den Kopf. »Dieser viele Puderzucker ist das reinste Gift. Schlimmer als Zigaretten.«
Darüber musste er ein wenig lachen. »In diesem Fall sollten Sie gleich zwei essen.«
Ich war überrascht, dass auch ich noch ein bisschen lachen konnte – er hatte mich dazu gebracht, und ich war ihm dafür dankbar. Ich aß tatsächlich zwei seiner Krapfen. Sie schmeckten ausgezeichnet. Danach zündete ich mir eine Zigarette an, obwohl ich vormittags normalerweise nicht
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