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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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»Mit wem haben Sie letzte Nacht geschlafen, meine Dame? Mit wem haben Sie sich letzte Nacht vergnügt? Mutter Carmody sieht alles, o ja, Mutter Carmody sieht, was anderen verborgen bleibt!«
    Aber der kurze Zauberbann, den sie geschaffen hatte, war gebrochen, und Amanda zuckte nicht einmal mit der Wimper.
    »Gehen wir, oder wollen wir den ganzen Tag hier herumstehen?«, fragte Mrs. Reppler.
    Und wir gingen. Gott steh uns bei, wir gingen.
     
    Dan Miller übernahm die Führung. Ollie ging als Zweiter. Ich war der Letzte, mit Mrs. Reppler vor mir. Ich glaube, ich hatte noch nie im Leben solche Angst gehabt, und die Hand, mit der ich den Besenstiel umklammerte, war schweißnass.
    Da war dieser dünne, beißende, unnatürliche Geruch des Nebels. Als ich aus der Tür herauskam, waren Miller und Ollie schon von ihm verschluckt, und Hatlen, der Dritte in der Reihe, kaum mehr zu sehen.
    Nur sechs Meter, sagte ich mir immer wieder. Nur sechs Meter.
    Mrs. Reppler ging langsam und energisch vor mir her, der Tennisschläger schwang leicht in ihrer rechten Hand. Links von uns war eine rote Backsteinmauer. Rechts von uns die erste Reihe Wagen, die wie Geisterschiffe verschwommen aus dem Nebel auftauchten. Ein weiterer Abfallkübel wurde plötzlich sichtbar, danach eine Bank, auf der manchmal Leute warteten, bis der öffentliche Fernsprecher frei wurde. Nur sechs Meter, Miller ist vermutlich schon da, sechs Meter sind nur zehn oder zwölf Schritte, also  …
    »O mein Gott!«, schrie Miller. »Heiliger Himmel, seht euch das an!«
    Miller war also tatsächlich am Ziel angelangt.
    Buddy Eagleton ging vor Mrs. Reppler, und er drehte sich um und wollte zurückrennen, seine Augen waren weit aufgerissen. Sie stieß ihn mit dem Tennisschläger leicht an die Brust. »Wo willst du denn hin?«, fragte sie mit ihrer strengen, etwas rauen Stimme, und sofort legte sich seine Panik.
    Wir anderen rückten zu Miller auf. Ich warf einen Blick über die Schulter und sah, dass der Supermarkt vom Nebel verschluckt worden war. Die rote Backsteinmauer verblasste zu einem hellen, verwaschenen Rosa und verschwand fünf Schritte vor der Ausgangstür auf der Seite der Bridgton Apotheke des Federals vollständig. Ich fühlte mich isolierter, einsamer denn je in meinem Leben. Es war so, als wäre ich plötzlich aus dem Mutterschoß gefallen.
    Die Apotheke war Schauplatz eines Gemetzels gewesen.
    Miller und ich hatten fast richtig vermutet. Alle Wesen in dem Nebel folgten in erster Linie ihrem Geruchssinn. Verständlicherweise. Gutes Sehvermögen wäre für sie fast völlig überflüssig gewesen. Etwas nützlicher hätte gutes Gehör sein können, aber der Nebel hatte, wie bereits erwähnt, die Eigenschaft, akustische Gesetze auf den Kopf zu stellen – Laute, die ganz in der Nähe ertönten hörten sich an, als wären sie weit entfernt, und Laute, die weit entfernt waren, klangen – manchmal wenigstens – so, als wären sie ganz nahe. Die Wesen im Nebel vertrauten ihrem verlässlichsten Sinn. Sie folgten ihren Nasen.
    Wir im Supermarkt waren in erster Linie durch den Stromausfall verschont geblieben. Die elektrischen Türen funktionierten nicht. Der Supermarkt war gewissermaßen verriegelt gewesen, als der Nebel kam. Aber die Türen der Apotheke … sie waren weit geöffnet gewesen. Der Stromausfall hatte die Klimaanlage lahmgelegt, und man hatte die Türen geöffnet, um eine leichte Brise einzulassen. Nur war noch etwas anderes dort eingedrungen.
    Ein Mann in kastanienbraunem T-Shirt lag bäuchlings auf der Schwelle. Vielmehr dachte ich im ersten Augenblick, sein T-Shirt sei kastanienbraun. Dann sah ich einige weiße Stellen darunter und begriff, dass es einmal ganz weiß gewesen war. Das Kastanienbraun war getrocknetes Blut. Und noch etwas anderes stimmte nicht mit ihm. Ich kam zuerst nicht darauf, was es war. Nicht einmal als Buddy sich abwandte und sich geräuschvoll übergab, begriff ich es. Ich nehme an, dass unser Gehirn es zuerst nicht wahrhaben will, wenn jemand etwas so … so Schauerliches zustößt – es sei denn vielleicht im Krieg.
    Sein Kopf fehlte, das war es. Seine Beine lagen gespreizt im Eingang der Apotheke, und sein Kopf hätte eigentlich über die niedrige Stufe herabhängen müssen; aber sein Kopf fehlte einfach.
    Jim Grondin hatte genug. Er wandte sich ab, die Hände auf den Mund gepresst; die blutunterlaufenen Augen starrten mich irre an. Dann stolperte er taumelnd auf den Supermarkt zu.
    Die anderen achteten nicht

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