Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
Vom Netzwerk:
noch weiter entfernt die schwarze Schattierung des Waldes. Der gegenüberliegende Wohnwagen, umgebaut in ein halbes Holzhaus, war dunkel und finster. Seine Besitzer, sicher ebenfalls Dauercamper von Geburt an, verbrachten den Abend wohl wo anders.
    Seufzend steckte sich Erik einen Zigarillo zwischen die Lippen, fühlte den trockenen Filter an seiner Haut. Das schwermütige Aroma der Tabakblätter dampfte in seine Nase.
    Er fragte sich, was aus Alexander hätte werden können, wenn sein Onkel saubere Geschäfte beackert hätte. Ein führender Politiker? Staatspräsident? Chef eines Weltkonzerns? Alles wäre möglich gewesen. Erik spürte, dass in diesem Raben ein ungeheures Potential steckte. Leider war es für die falschen Zwecke benutzt worden. Aber die Vergangenheit konnte man leider nicht ändern. Die Gegenwart zählte und in dieser würde er den beiden im Wohnwagen solange Zeit geben, bis es ihm hier draußen zu kalt wurde. Das war das einzige, was er ihnen geben konnte. Zufrieden mit seinem Entschluss, entzündete Erik knisternd den ersten Zigarillo.
    ***
    Die geriffelte Wohnwagentür schwang in ihren Angeln auf, ließ honiggelbes Licht auf den Vorplatz träufeln. Erik blickte auf, während er den Stummel des dritten Zigarillos gerade unter seinen Sohlen zerquetschte, die Glut damit löschte. Alexanders Haupt erschien im Rahmen, winkte ihn auffordernd herein.
    Wurde auch Zeit, dachte Erik seufzend. Lange wäre er nicht mehr in der Kälte auf und ab gelaufen. Er hatte zwar in Gedanken bei seinem Sohn Elias verweilt, doch von hier aus konnte er sowieso nichts für ihn tun. Er hoffte innständig, dass es ihm bereits besser ging, dass er bald aus dem Koma erwachen würde.
    Wärme umfing ihn mit sanfter Umarmung und Natalja lächelte müde von der Sitzecke herüber. Alexander drehte den Gashahn zurück. Ohne Saucenspritzer zu verursachen füllte er seinen Teller mit der weich geköchelten Portion Ravioli.
    »Die Polizei hat sich vorhin bei mir gemeldet«, meinte Erik als er sich händereibend auf das harte Polster sinken ließ.
    Sofort ruckte Alexanders Kopf zu ihm herum. Sorge stand ihm in und um die Augen gemalt.
    »Wann? Was hast du ihnen gesagt?«
    »Als ich am Klo war hat ein Kommissar Salzing angerufen. Ich habe mich nicht einmal zu erkennen gegeben.« Erik legte sein Telefon auf den Tisch, daneben den herausgenommen Akku. »Ich habe daraufhin gleich den Strom unterbrochen. Können Sie uns trotzdem orten?«
    »Jein. Sie können höchstens die Mobilfunkzelle orten, in der das Handy zum Zeitpunkt des Anrufs eingeloggt war. Das ist allerdings eine relativ ungenaue Methode und gibt der Polizei nur einen möglichen Radius. Außerdem muss ein Notfall vorliegen, sonst dürfen sie das gar nicht. Sie brauchen einen richterlichen Beschluss. Ich denke nicht, dass wir hier heute Nacht gefunden werden. Trotzdem sollten wir vorsichtig sein.«
    Alexander nahm neben seiner Schwester Platz, begann gierig die gefüllten Nudeln zu mampfen.
    Erik schnupperte. Der feine Gestank nach Verbranntem lag in der Luft. »Was stinkt hier eigentlich so? Hast du die Nudeln reinbrennen lassen?« fragte er.
    Natalja schüttelte den Kopf. »Das bin ich.«
    Jetzt war Erik vollkommen verdutzt. Er beugte sich zu ihr herüber, roch an ihrer Fleecejacke. Der Geruch nach einem langen Abend am Lagerfeuer, den er aus seinen Kindertagen bei den Pfadfindern kannte, hing intensiv zwischen dem weichen Stoff, umhüllte sie wie eine Parfümwolke. Erst jetzt sah Erik den länglichen Schnitt an ihrem Arm. Das Fleece war ausgefranst und die Ränder beschmiert mit verkrustetem, dunklem Blut.
    »Um Gottes Willen! Was ist passiert?«
    Entsetzt besah er sich die Wunde genauer. Auch Alexander drehte sich zu ihr herum.
    »Vor lauter Aufregung bin ich noch gar nicht dazu gekommen, vom Feuer zu erzählen.« Sie seufzte tief. »Dieser Kühnle hat dein Büro angezündet.«
    Erik nickte düster. »Das wissen wir. Wir wollten noch ins Büro, doch es war bereits von der Feuerwehr abgesperrt.« Er erinnerte sich an die Worte des jungen Feuerwehrmannes, dass eine junge Frau in der Einsatzzentrale angerufen hätte. Er musterte sie neugierig.
    »Warst du dort?«
    »Ja. Ich bin vom Krankenhaus direkt dorthin geradelt.«
    »Geradelt? Jetzt versteh ich gar nichts mehr?«
    Natalja wirkte plötzlich verlegen und ihre Augen waren groß und feucht vor schlechtem Gewissen.
    »Ich … ich habe am Krankenhaus eines geklaut. Aber ich musste euch doch folgen! Zu Fuß hätte ich es nie

Weitere Kostenlose Bücher