Blut Und Knochen: Thriller
Haut, aber es war ihr egal, solange sie nur den nächsten Morgen noch erleben würde.
Sie lief weiter, hetzte den schmalen Hohlweg entlang, der ihre Straße von der nächsten in der Wohnsiedlung trennte, und schrie »HILFE!«, so laut sie konnte. Bis ihr klar wurde, dass sie damit nur dem Mann, der sie jagte, ein Ziel lieferte.
Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, den Abstand zu ihm so weit wie möglich zu vergrößern.
Handy. Sie hatte ein Handy in ihrer Handtasche. Sie musste die Polizei rufen.
Hinter ihr brach der Fleischer krachend durchs Unterholz. Vicky schlug einen Haken nach links, warf sich ins Gras und verkroch sich hinter einem riesigen Ginsterbusch. Hielt die Luft an und betete.
Sie konnte ihn sehen: Schwach zeichnete sich die Silhouette vor dem orange-grauen Wolkenhimmel ab.
Handy. Wo war ihr Handy? Wo war ihr bescheuertes, verdammtes, beschissenes Handy?
Vicky kippte den Inhalt ihrer Handtasche ins nasse Gras und tastete blind umher: Puderdose, Tampons, Geldbörse, Bürste, die Brieftasche mit den Kreditkarten, Zettel, noch mehr Zettel, noch MEHR VERDAMMTE ZETTEL. Kamm. Lippenstift. HANDY!
Sie klappte es auf, und das Display leuchtete auf. Sofort hielt sie die Hand darüber, um das schimmernde Rechteck abzudecken. Und betete, dass er gerade nicht in ihre Richtung schaute. Mein Gott, mein Gott, mein Gott ....
Neun. Neun. Neun.
Komm schon, geh ran ...
»Notrufzentrale, welchen Dienst benötigen Sie?«
»Die Polizei.«
»Verzeihung, Sie müssen lauter sprechen, ich kann Sie ganz schlecht hören.«
Vicky legte die hohle Hand über das Handy und flüsterte, so laut sie sich eben traute: »Polizei!«
Jetzt musste sie nur noch dem Mann am anderen Ende erklären, wer hinter ihr her war, wo sie waren und
Die Gestalt blieb stehen, drehte sich nach links, dann nach rechts, und dann kam sie direkt auf sie zu.
Vicky rannte los.
52
Eine schreiende Frau wäre ja schon schlimm genug gewesen, aber gleich zwei von der Sorte, die sich anbrüllten wie zwei Nebelhörner mit silberner Dauerwelle, das hielt PC McInnis einfach nicht aus. Kingswells war doch eine verschlafene Pendlersiedlung und kein Kriegsgebiet für Senioren, wo die Front durch eine kränkelnde Leylandzypressenhecke bezeichnet wurde. Die bei den Parteien hatten vor ihren identischen Wohnkästen aus gelbem Backstein Stellung bezogen und ignorierten den feinen Nieseiregen, der aus dem kalten Novemberhimmel herabdriftete, während sie einander unverdrossen anbrüllten. McInnis unternahm noch einen Versuch: »Nun beruhigen Sie sich doch erst einmal. Wir -«
»Das war hier wirklich 'ne nette Wohngegend, ehe Sie eingezogen sind!«
»Ach, stecken Sie sich doch 'nen Kaktus in den-«
»Meine Damen, wenn wir vielleicht-«
»Schämen sollten Sie sich!«
»Bloß weil Sie da unten schon Spinnweben haben, müssen alle anderen noch lange nicht auf Sex verzichten!«
»Was fällt Ihnen ein, so mit mir zu reden!«
PC Guthrie, der faule Sack, hatte sich schon in den Streifenwagen verzogen und McInnis einfach im Regen stehen lassen, wo er sich jetzt als Ein-Mann-Friedenstruppe versuchen durfte. »Meine Damen, warum gehen wir nicht einfach ins Haus und-« »Schon mal was von Viagra gehört? Das sollten Sie Ihrem William vielleicht mal besorgen - würde den armen alten Sack sicher ein bisschen aufmuntern. Könnte er weiß Gott gebrauchen.« »Wie können Sie es wagen!«
»Wenn wir jetzt alle ganz einfach -«
Guthrie steckte den Kopf aus dem Fenster und rief: »McInnis!« »Ich kann jetzt nicht!« Er wandte sich wieder den zerstrittenen
Rentnerinnen zu. »Ich muss Sie beide auffordern-«
»Jemand hat den Fleischer in Kingswells gesichtet - drei Straßen
von hier!«
»Ach du Scheiße!«
Er sprintete zurück zum Wagen und warf sich hinters Lenkrad, ohne
auf die empörte Stimme zu achten, die ihm hinterherrief: »Und was ist
mit meiner verdammten Hecke?«
McInnis trat das Gaspedal durch und hinterließ zwei rauchende
Gummistreifen auf dem Asphalt. Sie waren die Ersten vor Ort, mit Blaulicht und Sirene. Der ganze Wagen erbebte, als McInnis voll auf die Bremse stieg. Sofort sprangen sie aus dem Wagen und leuchteten das Unterholz zu beiden Seiten der Straße mit ihren Taschenlampen an. Die Tropfen glitzerten wie fallende Glassplitter in den Lichtkegeln, während der Nieseiregen allmählich in einen ausgewachsenen Wolkenbruch überging.
Es war eine Brachfläche zwischen zwei Wohnsiedlungen, aufgemotzt mit einem asphaltierten Weg und der einen oder anderen
Straßenlaterne. PC
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